LMV November 2021: Rechtsextremistische Taten aufklären, Behördenversagen offenlegen, Konsequenzen ziehen
Rechter Terror ist gegenwärtig die größte Bedrohung in der Bundesrepublik Deutschland. In erster Linie für Betroffene von Rassismus, Antisemitismus,
Antiziganismus, Queer-Feindlichkeit, Ableismus, Klassismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, aber auch für eine demokratische und
pluralistische Gesellschaft als solche. Dies zeigte sich in Hessens jüngerer Vergangenheit durch die NSU-Mordserie, das Attentat auf Dr. Walter Lübcke sowie
den Terroranschlag in Hanau, die nur die Spitze des Eisberges rechtsextremer und rassistischer Gewalt in unserer Gesellschaft sind.
– Halit Yozgat
– Dr. Walter Lübcke
– Ferhat Unvar
– Hamza Kurtović
– Said Nesar Hashemi
– Vili Viorel Păun
– Mercedes Kierpacz
– Kaloyan Velkov
– Fatih Saraçoğlu
– Sedat Gürbüz
– Gökhan Gültekin
sind alleine die hessischen Opfer von Rechtsextremist*innen und Rassist*innen der letzten zwei Jahrzehnte. Ihrer Gedenken wir.
Der NSU-Komplex offenbarte das schwerwiegendste Versagen der Sicherheitsarchitektur in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Anstatt
ein rechtsextremistisches Motiv in Betracht zu ziehen, ermittelten die Behörden jahrelang im Umfeld der Angehörigen und dies mit zu tiefst rassistischen
Narrativen wie „Döner- oder Clanmorde“. So konnten weitere Morde nicht verhindert werden und die Opferfamilien wurden gleich doppelt traumatisiert,
weil sie nicht nur den Verlust ihrer Angehörigen beklagen mussten, sondern sich gleichzeitig auch gegen die rassistisch motivierten Verdächtigungen der
Sicherheitsbehörden wehren mussten. Bis heute sind Hintergründe und mögliche Unterstützerkreise des NSU unklar. Wenngleich zu dem Lübcke-Mord und dem Hanau-
Terroranschlag zurzeit noch parlamentarische Untersuchungsausschüsse laufen und Aufklärungsprozesse noch nicht abgeschlossen sind, ist schon vorweg
festzuhalten, dass die Sicherheitsbehörden nicht in der Lage waren, diese Morde im Vorfeld zu verhindern. Im Bewusstsein, dass vollumfängliche Sicherheit in
einem freiheitlich verfassten Rechtsstaat nicht möglich ist, sind wir es den Opfern dennoch schuldig, die Taten aufzuklären, Behördenversagen schonungslos
offenzulegen und die Sicherheitsarchitektur auf künftige Bedrohungslagen besser vorzubereiten. Außerdem ist die Mitverantwortung von Sicherheitsbehörden eine
weitere Dimension, die nicht nur die stärkere Kontrolle, sondern auch eine langfristige Umstrukturierung unserer Sicherheitsbehörden verlangt. Denn die
Sicherheitsbehörden besitzen ein tiefes strukturelles Problem mit menschenfeindlichen Einstellungen und sind selbst beteiligt an rechtsextremistisch motivierten Straftaten.
So beim Mord an Oury Jalloh, den Chatgruppen beim Frankfurter SEK oder die zahlreichen illegalen Meldeabfragen zu Personen, welche anschließend Drohungen vom NSU 2.0 erhielten.
Zu diesem Zweck fordert die GRÜNE JUGEND HESSEN die Einrichtung einer zentralen Archiv- und Forschungsstelle Rechtsextremismus. Hier sollen die Akten der
Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern zum NSU, zum Mord an Dr. Walter Lübcke, zum Terroranschlag auf die Synagoge in Halle, zum Terroranschlag in
Hanau sowie Akten zu sämtlichen rechtsextremistisch motivierten Kapitalverbrechen zusammengeführt und wissenschaftlich aufgearbeitet werden.
Daraus gezogene Erkenntnisse müssen der Schulung der Sicherheitsbehörden sowie der Information der Öffentlichkeit dienen.
Darüber hinaus muss die Archiv- und Forschungsstelle auch den geeigneten Zugang, z.B. durch Schwärzung sensibler personenbezogener Daten, zu eingestuften Akten
für unabhängige Forschungseinrichtungen, Journalist*innen, der Zivilgesellschaft und Opferangehörige gewährleisten.
Beschlossen am 07.11.2021 auf der Landesmitgliederversammlung in Frankfurt.
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