Bildung ist bei den Kommunalwahlen in Hessen ein wichtiges Thema, sie wirkt sich statistisch stark auf die Einkommen, Lebensverhältnisse und Zufriedenheiten der Bürger*innen einer Kommune aus. Oft werden Schulen wie eine Lernfabrik verwaltet, doch viele Kommunen und Schulen haben gezeigt, dass innovative pädagogische Ideen nachhaltig positiv wirken. Der AK Bildung hat sich mit Schulen, die vorangehen, und Kommunalwahlprogrammen in Hessen von 2021 beschäftigt. Folgende Grundlagen einer gerechten und zukunftsfähigen Bildungspolitik sollen von den Kreisverbänden der Grünen Jugend Hessen in den kommenden Wahlprogrammprozessen eingebracht und unterstützt werden. Zusätzlich sollen diese auf Wunsch vom Landesvorstand oder dem AK Bildung der Grünen Jugend Hessen dabei unterstützt werden, die Vorschläge in die Ortsverbände von Bündnis 90/Die Grünen weiterzutragen. In Kreisverbänden, in denen kein Kreisverband der Grünen Jugend existiert, soll der Landesvorstand der Grünen Jugend Hessen die folgenden Ideen an die jeweiligen Kreisverbände von Bündnis 90/Die Grünen herantragen.
Schulgebäude
Schulräume müssen ausreichend Platz bieten sowie schallreduziert und ganzjährig angenehm temperiert sein. Eine gute Belüftung und trockene Raumverhältnisse sind essentiell für konzentriertes Lernen. Schulen müssen saniert werden. Gefahrenquellen wie bauliche Mängel oder herabfallende Elemente müssen konsequent beseitigt werden. Schüler*innen verbringen bis zu 15.000 Stunden in der Schule – die Umgebung muss daher inspirierend gestaltet sein. Licht, Farben und Ausstattung sollten eine angenehme Atmosphäre schaffen. Hierbei sollen auch Inklusionsbedürfnisse berücksichtigt werden. Außerdem benötigt es neben den Unterrichtsräumen auch Begegnungsorte, die soziale Interaktion ermöglichen. Schulen benötigen offene und geschlossene Lernbereiche für unterschiedliche Bildungsformen. Werkstätten, Gärten, Experimentallabore, Bühnen und Ateliers sollten ebenso vorhanden sein wie Räume für Gruppen- und Einzelarbeit. Betonflächen müssen durch grüne, ansprechend gestaltete Schulhöfe ersetzt werden. Vielfältige Spiel- und Sportmöglichkeiten sollen den Schüler*innen zur freien Nutzung bereitstehen. Moderne Hard- und Software muss für alle Schüler*innen zugänglich sein. Smartboards oder Flatscreens sollten in allen Unterrichtsräumen vorhanden sein. Zudem müssen Computer mit aktueller Lernsoftware und Office-Programmen frei nutzbar sein. Schulen sollen sich in den Stadtteil öffnen. Nachmittagsangebote außerschulischer Träger können in Schulräumen stattfinden.
Das Hauptproblem bei der Erfüllung des Ganztagsanspruchs ab 2026 sind mangelnde Raum- und Platzkapazitäten sowie die fehlenden Liegenschaften. Mensen und Aufenthaltsräume müssen auch in Freistunden einladende Orte für Schüler*innen sein, um Lernen und soziale Interaktion zu ermöglichen. Nach Möglichkeit sollen für das Ganztagsangebot gesonderte Räume zur Verfügung gestellt werden, die den Anforderungen des Ganztags gerecht werden.Gerade in (Groß-) Städten sind Flächen für neuen Schulbau knapp. Bestandsumbau sollte gefördert werden. Zur Erhaltung der Grauen Energie sollte der Lebensdauerzyklus eingerechnet werden. Anmietung kann auch eine Option sein, wobei es oft günstiger ist, wenn die Stadt Eigentümerin des Schulgebäudes und des Grundstücks ist. Gleichzeitig sollen Anforderungskriterien auferlegt werden, die sich an der Nachhaltigkeit ausrichten. In Zeiten der Klimakrise bedeutet dies beispielsweise Bauen mit nachhaltigen Rohstoffen, Passivhausstandard, Begrünung und PV-Anlage auf dem Dach. Auch (rollstuhlgerechte) Barrierefreiheit ist kein Nice-to-have, sondern Standard in der Schule der Zukunft.
Mittagessen
Zu einem gesunden und erfolgversprechenden Schul- und Kitaalltag gehört ein gesundes Mittagessen. Kein Kind soll den Tag über hungernd nach Hause oder in den Jugendclub gehen müssen. Kostenlose Essensangebote gehören deshalb dazu. Diese müssen von der Stadt subventioniert und soweit möglich im kommunalen Eigenbetrieb zur Verfügung gestellt werden. Es muss immer ein vegetarisches und veganes Angebot geben und generell soll das Essen ökologisch, regional und saisonal angebaut sein.
Integration außerschulischer Lernorte, die in der Kommune bereitstehen
Die Zusammenarbeit mit außerschulischen Lernorten und -möglichkeiten (z.B. Bibliotheken, Naturlernpfaden, historische Stätten) soll verstärkt werden. Schüler*innen müssen frühzeitig mit den Möglichkeiten zum gesellschaftlichen Engagement bekannt gemacht (Feuerwehr, Jugendtreffs usw.) und Schulen aktiv in das kommunale Geschehen integriert werden. Dazu gehört auch, dass Schulgebäude stärker für öffentliche Veranstaltungen genutzt werden.
Frühkindliche Erziehung und Kindertagesstätten/Kindertagespflege
Die Versorgungsquote in Krippen und Kitas gilt es zu gewährleisten und den Personalschlüssel zu verbessern. Ein bedarfsgerechtes Stundenmodell kann dazu beitragen, Personal zu entlasten. Die Arbeit von Erzieher*innen in Randtageszeiten könnte mit einem Zuschlag attraktiver gemacht werden. Multiprofessionelle Teams entlasten ebenso Erzieher*innen und ermöglichen eine spezifische Unterstützung kindlicher Entwicklung. Der Ausbau von Kitas zu Familienzentren bietet die einmalige Möglichkeit, vielfältige Bildungs- und Beratungsangebote für die gesamte Familie an einem zentralen Ort bereitzustellen. Jede Kita weist andere Bedingungen auf, deswegen sollen soziale Faktoren der Kinder, Eltern und der Umgebung erfasst werden und Berücksichtigung finden. Dazu kann auch gehören, dass Kitas eigenständige Profile herausbilden. Tagesmütter und -väter sollen eine angemessene sozialversicherungspflichtige Absicherung erhalten. Die Neugründung von Kindertagespflegen muss unterstützt und Beratung bereitgestellt werden. Erzieher*innen wissen viel zu oft nicht, an wen sie sich wenden können. Es benötigt sichtbare Beratungs-, Fortbildungs- und Vernetzungsangebote für Erzieher*innen. Beim Übergang in die Grundschule darf diese nicht wieder von vorne anfangen. Vielmehr muss die Zusammenarbeit beim Übergang im Sinne des staatlichen Bildungsplanes 0-10 verstärkt werden. Die frühzeitige Verankerung eines Bewusstseins für die Auswirkungen unserer Lebensweise ist essentiell, deswegen sollte Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) bereits in der Kita stattfinden. Bildung ist ein Gut, zu dem alle Zugang haben müssen, das bedeutet aber nicht Kostenfreiheit per se. Im Hinblick auf die kommunalen Haushalte empfiehlt sich eine einkommensabhängige Staffelung. Damit können einkommensschwache Haushalte gezielt entlastet werden.
Partizipation von Kindern und Jugendlichen
Ein Stadtelternbeirat, eine Stadtschüler*innenvertretung und eine Kinder- und Jugendvertretung müssen eingerichtet (sofern noch nicht vorhanden) und unterstützt werden. Die Kinder- und Jugendvertretung soll zu kommunalen Sitzungen eingeladen und bei wichtigen Dingen angehört werden. Schulen müssen demokratischer werden, indem externe Expert*innen, Eltern, Schüler*innen und Lehrkräfte gemeinsam über die Entwicklung der Schule reden.
Inklusion
Wir gestalten ein inklusives Bildungssystem, in dem alle Kinder gemeinsam gut lernen können. Dazu erarbeiten wir kommunale Inklusionskonzepte. Um Familien bestmöglich zu unterstützen, sind kommunale bzw. regionale und unabhängige Beratungsangebote essenziell. In den „inklusiven Schulbündnissen“ (iSB) sollen die Kommunen als Schulträger die inklusive Schulentwicklung vorantreiben. Gleichzeitig unterstützen wir Schulen dabei, sich zu inklusiven Lernorten weiterzuentwickeln. Barrierefreiheit wird auch bei Sanierungen und Neubauten berücksichtigt, sodass bauliche Barrieren abgebaut und inklusive Strukturen von Anfang an eingeplant werden. Bereits in der frühkindlichen Bildung spielt Inklusion eine entscheidende Rolle. Daher ist eine verstärkte Kita-Sozialarbeit notwendig, um Familien frühzeitig zu begleiten und zu entlasten. Ein entscheidender Baustein für eine erfolgreiche Inklusion sind multiprofessionelle Teams, in denen Lehrkräfte der allgemeinen Schulen, Förderpädagog*innen, Sozialpädagog*innen und Teilhabeassistent*innen verlässlich und dauerhaft gemeinsam an der allgemeinen Schule arbeiten, sich abstimmen und gegenseitig unterstützen können. Dabei ist es wichtig, Förderschullehrkräfte möglichst mit ihrem gesamten Stundenkontingent in das Kollegium einer allgemeinen Schule zu integrieren, sofern sie dies wünschen. Zudem bedarf es einer besseren Organisation der Teilhabeassistent*innen, damit ihre Arbeit optimal und verlässlich auf die Bedürfnisse der Schüler*innen abgestimmt werden kann. Langfristig fordern wir die vollständige Abschaffung des Förderschulsystems.
Jugendhilfe
Die Jugendhilfe benötigt einen besseren Personalschlüssel und soll durch Bürokratieabbau entlastet werden. Anstatt einzelne Genehmigungen einholen zu müssen, wird ein Verfügungsrahmen pro Monat und Kind eingerichtet.
Ausbildung
Kommunale Bildungspolitik darf nicht einseitig auf den schulischen Bildungsweg ausgerichtet sein. Jugendliche, die sich nicht für das Abitur entscheiden oder das Studium abbrechen, müssen ebenso im Fokus sein. Fachkräfte werden dringend benötigt. Dazu gehören kommunale Arbeitsmarkt- und Ausbildungsprogramme sowie der Aufbau entsprechender Vermittlungsnetzwerke, die Stärkung von Berufsschulen und der dualen Ausbildung, die Schaffung von Azubi-Wohnheimen und fachspezifischer Campus für die berufliche Bildung.