Unsere Forderungen:
Wir fordern die Landesregierung dazu auf, dass sie
- eine landesweite Femizid Studie ins Leben ruft
- die Forderung der Istanbul-Konvention endlich konsequent umsetzt
- Schutzmaßnahmen in Hessen endlich finanziell absichert
- in all diesen Maßnahmen auch den Schutz von trans*, nichtbinären, inter, und agender Personen mitdenkt
- alle Maßnahmen müssen Mehrfachdiskriminierungen (beispielsweise Rassismus und Behinderungen) mitberücksichtigen
Mehr Infos zum Thema:
- Was ist ein Femizid?
- “Warum hat sie sich nicht einfach getrennt?” – Wie es zu einem Femizid kommt
- Rechtliche Informationen zu Femiziden
- Und was hat das mit mir zu tun?
- Weitere Tipps (Dokus und Bücher)
- Quellen
Was ist ein Femizid?
Femizid beschreibt die Tötung einer Frau auf Grund ihres Geschlechts.
Doch nicht nur Frauen können Opfer von Femiziden werden. Geschlecht ist nicht binär und es gibt viele Personen, die vom Patriarchat in das Rollenbild einer Frau gedrängt werden sollen, aber keine Frau sind. Femizide sind die höchste patriarchale Gewalt, dei es gibt .
In Deutschland versucht statistisch gesehen jeden Tag ein Mann seine (Ex-)Partnerin zu töten, jeden dritten Tag gelingt dies. Alle 72 Stunden findet ein Femizid in Deutschland statt.
Für das Jahr 2023 gibt es unterschiedliche Zahlen.
Die aktivistische Instagramseite „femizidestoppen“ zählte 114 Femizide.
„One billion rising“ zählte 193 getötete Mädchen und Frauen.
Warum unterscheiden sich die Zahlen so stark?
Bis heute gibt es keine Stelle in Hessen oder Deutschland, die Femizide statistisch erfasst und zählt.
„Warum hat sie sich nicht einfach getrennt?” – Wie es zu einem Femizid kommt
In vielen Fällen wird gefragt, wieso die Frau den Mann nicht verlassen hat, wenn er doch schon gewalttätig war. Doch die wenigsten berücksichtigen dabei, dass die Trennung von einem gewalttätigen Partner die größte Gefahr für eine Frau sein kann. In vielen Fällen von Femiziden haben sich die Frauen vorher von dem gewalttätigen Mann getrennt. Jane Mockton Smith ist eine britische Kriminologin, die 8 Stufen ermitteln konnte, welche einem Femizid vorausgehen.
Stufe 1: Vor der Beziehung
Viele Täter waren schon in vorangegangenen Beziehungen gewalttätig. Manche der späteren Opfer wussten davon, schenkten den Geschichten jedoch nicht immer Glauben.
Stufe 2: Frühe Beziehung
In vielen Fällen schenkte der Täter dem späteren Opfer zu Beginn der Beziehung große Aufmerksamkeit, die allmählich in Kontrolle umschlug. Diese Stufe ist noch nicht von gewalttätigem Verhalten geprägt, sondern vom Willen des Täters, die Bindung zur Frau* zu stärken und irreversibel zu gestalten.
Stufe 3: Beziehung
Sobald die Beziehung bestand und gefestigt war, ließen sich in allen Fällen hochriskante Verhaltensmuster gemäß dem DASH-Modell feststellen, in Form von Kontrolle und / oder in Stalking und Überwachungsmustern. Viele Frauen* gaben in dieser Phase nach und passten ihr Verhalten an, um ihr „Commitment“ unter Beweis zu stellen. Auf dieser Stufe liegt ein permanentes Bedrohungsszenario vor. Sie ist von allen zeitlich am schwersten zu fassen: Zwi- schen drei bis sechs Wochen oder auch 50 Jahren Dauer ist alles möglich.
Stufe 4: Trigger
Die am häufigsten vorgegebenen Begründungen in Verbindung mit dieser Stufe waren, dass der Täter bei der Frau* einen Rückzug oder Trennungsabsichten wahrnahm. Diese Wahrnehmungen konnten den Tatsachen entsprechen, eingebildet oder nur als Möglichkeit vorgebracht sein. In allen untersuchten Fällen stießen Trennungsversuche auf erheblichen Widerstand.
Stufe 5: Eskalation
Eskalation, also die Zunahme von Häufigkeit und Stärke gewalttätigen Verhaltens, wurde eingesetzt, um das spätere Opfer wieder unter Kontrolle zu bringen. Am stärksten verbreitet waren hierbei Stalking, Überwachung und Verfolgung durch die Täter, über einen von Fall zu Fall stark variierenden Zeitraum. Interventionen auf dieser Stufe sind laut Monckton Smith am wirksamsten und können das Weiterdrehen der Gewaltspirale zu Stufe 6 stoppen.
Stufe 6: Sinneswandel
Die Eskalationsphase mündet in den Sinneswandel, der den Täter erstmals an Mord als Möglichkeit nachdenken lässt, den Kontrollverlust zu stoppen. Ermittlungen zeigen, dass den meisten Fällen von Tötung eine Zeit in- tensiven Nachdenkens vorangegangen ist. Nicht jede Überlegung wird am Ende auch in die Tat umgesetzt, sie entwickeln sich dynamisch und können situativen Einflüssen ab- hängen. Aber das Risiko für eine tatsächliche Tötung ist erhöht.
Stufe 7: Planung
Nach einer Tötung finden sich oftmals Indikatoren oder Beweise für ein planmäßiges Vorgehen. Diese Phase kann sich über nur wenige Stunden strecken oder, wie für einen Fall dokumentiert, zwölf Monate andauern. Während der Planungsphase werden die Stalking-Verhaltensmuster aufrechterhalten und das Risiko für das Opfer war dauerhaft sehr hoch.
Stufe 8: Tötung
Die abschließende Phase ist die eigentliche Tötung. Selbst wenn der Täter vorher keine körperliche Gewalt ausgeübt hat, greift er hier zu extremer Gewalt. Es gibt keinen ein- deutigen Zusammenhang zwischen der Gewalt bei der Tötung und der Gewalt in der Beziehung. Manchmal folgt ein Suizid, manchmal werden auch Kinder getötet oder Per- sonen, die versuchen, die Tat zu verhindern.
Rechtliche Informationen zu Femiziden
Man könnte meinen, dass ein Femizid ein Mord ist und demnach auch genau so verurteilt werden sollte. Doch das ist in Deutschland in den meisten Fällen nicht der Fall.
Wann ist ein Mord ein Mord?
Damit eine Tat strafrechtlich als Mord verurteilt werden kann, muss die Tat bestimmte Merkmale erfüllen. In §211 StGB werden diese Merkmal aufgeführt:
- Aus Mordlust,
- zur Befriedigung des Geschlechtstriebs,
- aus Habgier oder
- sonst aus niedrigen Beweggründen,
- heimtückisch oder
- grausam oder
- mit gemeingefährlichen Mitteln oder
- um eine andere Straftat zu ermöglichen oder
- zu verdecken, einen Menschen tötet
Die Mordmerkmale unterliegen einem hohen Interpretationsspielraum. Es wird nicht näher erklärt wann zum Beispiel eine Tat aus niedrigen Beweggründen begangen wird.
Ein bekanntes Urteil des Bundesgerichtshofs
Das Urteil betrifft einen Femizid, der nach der Trennung des Tatopfers vom Täter verübt wurde und wurde im Jahr 2008 gesprochen. Der Täter wurde damals deswegen nicht wegen Mordes verurteilt, da das Tatopfer dem Täter etwas geraubt hätte, was der Täter hätte behalten wollen. Ausweglosigkeit und Verzweiflung hätten daher die Tat bestimmt und ausgelöst.
Urteile wie dieses zementieren patriarchalen Besitzansprüche und geben dem Tatopfer eine Mitschuld. Durch das Wort “geraubt” wird das Tatopfer postmortal Objektifiziert.
Mittlerweile gibt es erste Ansätze das nicht Akzeptieren der Trennung als niedrigen Beweggrund vor Gericht zu zulassen. Dennoch sieht man weiterhin, dass bei Femiziden in vielen Fällen das Urteil nicht Mord heißt.
Wenn der Täter dem Tatopfer gegenüber vorher bereits gewalttätig gewesen ist, dann kann es sogar dazu kommen, dass auch nicht mit Totschlag verurteilt wird sondern mit Körperverletzung mit Todesfolge. Was eine mildere Strafe für den Täter bedeutet.
Und was hat das mit mir zu tun?
Femizide sind ein Resultat der patriarchalen Strukturen in unserer Gesellschaft. Sie tauchen nicht aus dem Nichts auf, Femizide wachsen auf einem Nährboden. Wir alle tragen etwas dazu bei, wie stark oder schwach das Patriarchat ist. Femizide entrechtlichen die Tatopfer
Andere Länder haben gezeigt, was gesellschaftliche Proteste bewirken können. In Spanien gab es eine Landesweite aktivistische Bewegung, die durch einen Femizid entstand. Der Bewegung “Ana somos todas” übersetzt “Anna sind wir alle” gelang es, dass die Politik ins handeln kam: Mittlerweile werden Femizide in Spanien gezählt. Aber nicht nur das: Spanien hat eigene Gerichtshäuser, die sich ausschließlich mit geschlechtsspezifischer Gewalt auseinandersetzen und ein eigenes Gesetzesbuch, dass sich auf Gewalt gegen Frauen bezieht.
Spanien zeigt eindeutig: Die Gesellschaft kann etwas bewirken. Wir können etwas verändern.
Dokus
Frauenmorde – An jedem dritten Tag ein Femizid
Femizide – Wenn Männer Frauen töten
Bücher
Christina Clemm: AktenEinsicht: Geschichten von Frauen und Gewalt
Christina Clemm: Gegen Frauenhass
Laura Backes, Margherita Bettoni: Alle drei Tage: Warum Männer Frauen töten und was wir dagegen tun können
Quellen
Studie von Jane Monckton Smith: https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/1077801219863876
Diana E. Russell (2001a). Introduction: The Politics of Femicide. In Russell, D. E. H. (Hrsg.) Femicide in global perspective (S. 3–11). Teachers College Press.
Urteil des Bundesgerichtshof: https://www.hrr-strafrecht.de/hrr/2/08/2-349-08.php