3. November 2022

Inklusionsleitfaden für Kreisverbände und Arbeitskreise



Ihr Lieben,

Beim LaBei (1) Juli 2022 haben wir den ersten strukturellen Inklusionsantrag beschlossen.
Doch was heißt das jetzt konkret für euch als Kreisverband vor Ort?
Um diese Frage zu beantworten, gibt es diesen Inklusionsleitfaden für die Umsetzung des Antrags. Der Leitfaden soll eine Unterstützung und eine Hilfestellung darstellen. Solltet ihr Fragen dazu haben, fehlende Punkte sehen oder ähnliches, wendet euch gerne an den Landesvorstand.

Social Media und Kommunikation


Als GRÜNE JUGEND Hessen setzen wir uns für mehr Gerechtigkeit ein: Dabei müssen diese Forderungen aber auch in die Welt getragen werden. Genau deswegen ist es wichtig auch in der eigenen Kommunikation auf Barrieren zu achten.

Einfache Sprache: Einfache Sprache ist nicht gleich leichte Sprache. Leichte Sprache hat zum Beispiel eine eigene Grammatik. Bei einfacher Sprache geht es um eine möglichst für alle Menschen gleich verständliche Sprache.

Umsetzung:

  • Vermeidung von langen Relativsätzen
  • Abkürzungen z.B. LaVo-KVVo vermeiden oder erklären. Es kann auch hilfreich sein auf ein Glossar zu verweisen
  • Anglizismen z.B. Outsourcing vermeiden oder erklären
  • Klare Schriftform: Relevant für Untertitel, Infotext oder Sharepic.

Umsetzung:

  • Auf Dauer-Großschreibung oder -Fettschreibung verzichten z.B. WIR UNTERSTÜTZEN GENUG IST GENUG. Eventuell fällt an solchen Beispielen auf, wie schwierig das zu lesen ist. Besonders das dauerhafte Verwenden in einem Text macht ihn schwierig zu lesen.
  • Serifenlose, klare Schrift
  • Kontraste, Schriftgrößen und Farbwahl beachten z.B. sieht man hellgrün auf dunkelgrün kaum oder rot auf grün.
  • Ihr müsst euch nicht automatisch von jedem coolen Share-Pic Design verabschieden. Aber je barrierefreier ein Bild für Social Media, desto mehr Menschen könnt ihr erreichen. Wahrscheinlich wird euer Content so auch inklusiver für alle Menschen

Social Media Basics: Bildbeschreibung und Untertitel

Instagram:

Instagram hat für beides ein Tool. Bei Bildbeschreibungen könnt ihr es direkt beim Posten ergänzen oder im Nachhinein: Ihr geht auf den entsprechenden Post, dann auf die 3 Punkte, dann auf Bearbeiten, dann steht auf dem Bild unten rechts bereits in weißer Schrift Alternativtext. Beachtet bei Bildbeschreibung relevante Details. Der Inhalt muss ohne das Bild zu haben verständlich sein. Untertitel: Erstelle einen Beitrag, nach der Bearbeitung auf erweitere Einstellungen, dann dort Barrierefreiheit und dann Untertitel aktivieren. Bei einem Bild findet man dort auch Bildbeschreibungen.

Bitte bedenkt Bildbeschreibungen zum Beispiel auch beim Verschicken einer Einladung zu einer KMV (2), usw.

Solltet ihr ein Video bei Instagram für eine Story oder auf einer Plattform ohne solche Tools posten wollen, könnt ihr diese händisch eintippen. Zum Beispiel in der Instagram Story mit dem Texttool und dann die Untertitel mit CC oder Untertitel benennen. Es ist natürlich auch möglich auf lange Sicht in ein Programm zu investieren. Sollte euch dazu das Geld fehlen, könnt ihr euch auch an den Landesvorstand wenden.

Triggerwarnungen und Inhaltshinweise: Es gibt viele belastende Inhalte auf den sozialen Medien. Diese können negative Gefühle auslösen. Manchmal ist es wichtig und richtig sich dennoch mit diesem Thema auseinander zu setzen. Jedoch sollten dabei Menschen nicht retraumatisiert bzw. getriggered werden. Unter einem Trigger versteht man hier einen Reiz (z.B. einen Text, ein Video, usw.), der bewusst oder unbewusst Erinnerungen an ein Trauma auslöst. Dabei gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen Inhaltshinweis und Triggerwarnung.

Umsetzung:

  • Triggerwarnung: Triggerwarnung wird oft mit TW abgekürzt. Der behandelnde Inhalt ist explizit. Also z.B. ein Video von einem schrecklichen Ereignis oder eine konkrete Beschreibung eines Vorfalls. Beispiele für so etwas wäre Diskriminierung, Gewalt oder Tod. Bitte überlegt euch gut, ob ihr die jeweiligen Themen wirklich so explizit behandeln wollt.
  • Inhaltshinweise: Im Englischen heißt es Contentwarning, daher die Abkürzung CW. Ihr sprecht über ein sensibles Thema, dabei werdet ihr aber nicht explizit. Hier sind wahrscheinlich die meisten Posts, usw. von uns als Grüne Jugend einzuordnen, die sich mit schwierigen Themen beschäftigen. Häufig geht es dabei eher um Forderungen oder Solidaritätsbekundungen. Falls ihr dennoch Menschen warnen wollt, dass es sich um ein schwieriges Thema handelt, könnt ihr Inhaltshinweise/Contentwarnungen verwenden.
  • Warum der Unterschied? Betroffene von Traumata wie z.B. Menschen mit Rassismuserfahrungen müssen sich auf Hinweise verlassen können. Wenn wir einfach für jedes Thema Triggerwarnungen aussprechen, dann verliert die Warnung ihren Sinn. Bitte bedenkt auch Triggerwarnungen, wenn ihr gemeinsam einen Filmeabend oder ähnliches machen wollt.
  • Sprachhinweise zu Ironie und Redewendungen: Dies ist relevant für zum Beispiel neurodivergente (3) Menschen. Sie verarbeiten Informationen anders als neurotypische (4) Menschen und können daher Ironie oder Redewendungen, sowie andere nicht wörtlich gemeinte Formulierungen anders verstehen. Für ein besseres Verständnis aller können Ironie mit /Ironie und Redewendungen, sowie andere nicht wörtlich gemeinte Formulierungen mit /rw gekennzeichnet werden. Es geht hierbei nicht darum, die Verwendung von Ironie und Redewendungen zu unterlassen, sondern sie einfach zu kennzeichnen

Umsetzung:

Ironie: wird gekennzeichnet mit /Ironie. Ein Beispiel: Die Grüne Jugend liebt Veranstaltungen der Jungen Union (/Ironie).

Redewendungen: wird gekennzeichnet mit /rw. Ein Beispiel: Da stecken wir nicht den Kopf in den Sand (/rw).

Ableismus raus aus unserer Sprache. Der letzte wichtige Punkt ist natürlich eine nicht diskriminierende Sprache. Dazu zählt das Reproduzieren von Diskriminierung jeder Art, aber auch eben von Ableismus. Häufig findet man diese in Beleidigungen oder Redewendungen.

Umsetzung:

Vermeidet Begriffe, die darauf abzielen die Intelligenz oder den mentalen Zustand der Person herabzusetzen und in Frage zu stellen. Schreibt stattdessen, was ihr meint z.B. ignorant, uninformiert, diskriminierend, usw. Zur Veranschaulichung einige Beispiele (an Betroffene von Ableismus: Die genannten Beispiele könnten triggernd sein).

Bitte vermeidet Begriffe/Formulierungen wie:

  • Die Person ist verrückt/wahnsinnig, dumm, usw.
  • Die Person hat doch Lack gesoffen. Die Person war doch besoffen, usw.
  • Die Person verhält sich idioitisch. (Das Wort Idiot hat eine dunkle Vergangenheit, weil das NS-Regime unter der Diagnose „Idiotismus“ Menschen mit Behinderung verfolgt und ermordet hat.)
  • Viele Redewendungen enthalten einen ableistischen Kern. Hier werden einige Beispiele zur Veranschaulichung genannt. Versucht diese zu ersetzen.
  • Das sieht doch auch ein Blinder —> Besser: Das ist doch offensichtlich
  • Bist du schwerhörig —> Hörst du mir nicht zu?

Veranstaltungen und Aktiven Treffen


Neben unserer Kommunikation zählt natürlich auch die politische Arbeit vor Ort zum Beispiel bei euren Aktiven Treffen oder wenn ihr eine Veranstaltung plant. Auch diese könnt ihr barriereärmer und zugänglicher für Menschen mit Behinderung machen.

Hybrid: Spätestens seit Corona habt ihr wahrscheinlich eine Plattform, mit der ihr auch online Treffen veranstalten könnt. Bedenkt auch hier, dass verschiedene Plattformen unterschiedlich barrierearm sind. Viele Kreisverbände sind inzwischen wieder auf Präsenztreffen übergegangen. Dabei kann es auch hier sinnvoll sein, das Treffen weiterhin mindestens in Hybrid anzubieten. Für viele Menschen der Risikogruppe ist die Pandemie immer noch lebensgefährlich. Außerdem sind unsere Treffpunkte, wie die nächste Kreisgeschäftsstelle selten barrierearm.

Umsetzung:

  • Solltet ihr bereits einen Fernseher/Beamer und ein Mikro zur Hand haben, dann könnt ihr vor der Sitzung eine online Sitzung erstellen. Beachtet bei der Platzierung des Mikros, dass man euch vor Ort auch gut versteht.
  • Wenn ihr ein solches Mikrosystem nicht habt, könnt ihr zuerst einmal eure Altgrünen anfragen. Viele Kreisverbände haben in der Pandemie in ein solches System bereits investiert. Ansonsten ist es auch möglich beim Landesvorstand Mittel oder Gelder zu beantragen.

Pausen und Zeitbegrenzungen

Umsetzung:

  • Wenn ihr z.B. eine Kreismitgliederversammlung plant, ist es sinnvoll einen groben Zeitrahmen für das Treffen festzulegen. So können Menschen, die eine Assistenz haben, auch einfach teilnehmen.
  • Denkt auch mal daran Pausen zu machen, insbesondere wenn es tief in die Inhalte geht. Beachtet dabei die Bedürfnisse aller Menschen im Raum (auch im digitalen Raum).
  • Besonderheiten einer Veranstaltung: Solltet ihr eine größere Veranstaltung wie eine Podiumsdiskussion oder einen Workshop planen, gibt es noch einiges zu beachten.

Umsetzung:

  • Fragt vorher ab, ob Menschen eine Gebärden- oder Schriftdolmetschung brauchen. Dies muss mindestens 3 Tage vor der Veranstaltung mit einer Anfrage gestellt werden. Die Kosten dafür kann, bei fehlenden finanziellen Mitteln, der Landesvorstand übernehmen. Dabei ist zu beachten, dass die Dolmetschenden einen speziellen Bereich zur Verfügung haben und auch online übertragen werden
  • Beachtet wie inklusiv euer Veranstaltungsort ist und kommuniziert dies. Zum Beispiel: Es gibt 3 Parkplätze für Menschen mit Behinderung. Das Gebäude verfügt über einen rollstuhlgerechten Eingang. Der Ort hat eine Behindertentoilette. Je konkreter, desto besser.
  • Bei Workshops achtet auf eine Beschreibung vorab und bittet die Referierenden am Ende um ein Fazit z.B. in mündlicher oder schriftlicher Form. Außerdem sind auch Bildungsangebote hybrid anzubieten.
  • Fragt das Awarenessteam für eure Veranstaltung an und stellt, wenn möglich, einen Rückzugsort zu Verfügung

Dies sind nur einige Möglichkeiten, wie eure Veranstaltung inklusiver wird. Wenn ihr nicht sicher seid oder Hilfe benötigt, fragt gerne den Landesvorstand an.

Lasst uns gemeinsam unseren Verband inklusiver machen!

Weiterführende Mittel

Fußnoten:

  1. Landesbeirat
  2. Kreismitgliederversammlung
  3. Neurodivergent sagt aus, dass das Denken und Fühlen von der gesellschaftlich als „Norm“ angesehenen Weise abweichen. Welche Gruppen darunterfallen, ist umstritten. Unter fast alle Definitionen fallen autistische Menschen und Personen mit ADHS.
  4. Gegenteil zu neurodivergent.


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