19. November 2015

LMV Dezember 2011: Hessen für das digitale Zeitalter fit machen – Zugang ermöglichen, Medienkompetenz stärken, Daten schützen, Politik transparenter gestalten!



Die Welt wächst zusammen. Konnten wir früher davon ausgehen, dass sich Kommunikation nur auf einen kleinen Radius bezog, so sind diese Grenzen durch das Internet endgültig aufgehoben. In kürzester Zeit können wir heute mit unterschiedlichen Menschen aus allen Ländern der Welt in Kontakt treten. Soziale Netzwerke, Chats und Foren machen es möglich diesen globalen Austausch zu befördern. Mit dem Internet steigt zudem auch das Wissen über die Welt. Das Fernsehen oder die Zeitungen spielen nur noch einen kleinen Teil bei der Informationsbeschaffung von jungen Menschen. Durch das Internet müssen wir nicht mehr auf die Taggesschau am Abend oder die Zeitung am Morgen warten, sondern erhalten sofort und unmittelbar Informationen über gesellschaftliche oder politische Geschehnisse. Den neue Zugang von Wissen über die Welt erachten wir grundlegend als Bereicherung. Gleichzeitig ergeben sich durch diesen gesellschaftlichen Wandel von Kommunikation Handlungsfelder, die es notwendig machen Regelungen herbeizuführen. Bei grundlegenden Fragen, wie Vorratsdatenspeicherung, Netzanonymität und Urheberrechte sehen wir bundeseinheitliche Gesetze als unausweichlich an. Die Chancen und Risiken, die sich aus einer zunehmend digitalisierten Welt ergeben, kann man sich jedoch bereits jetzt in den Ländern annehmen. Hessen kann hier wichtige Schritte unternehmen um auf die neuen Herausforderungen einer Kommunikationsgesellschaft Vorreiter zu sein. Wir wollen aufzeigen, was man bereits tun kann, um den sozialen Wandel durch neue Medien adäquat zu begegnen.

Breitband für alle!
Nicholas Negroponte prophezeite in den frühen 90er Jahren als Direktor des Massachusetts Institute of Technology (MIT) die Aufhebung räumlicher Beschränkungen für soziale Interaktionen, weil über das Internet quasi in Echtzeit beliebig weit entfernte Orte miteinander kommunizieren können. Etwa zwanzig Jahre später erkennen wir, dass die Materialität der technischen Infrastruktur eine gewichtige Rolle spielt und es durchaus einen Unterschied macht, ob sich ein Nutzer in einem innerstädtischen Bürokomplex mit einem leistungsfähigen Breitbandanschluss befindet oder in einer ländlichen Region aufhält, die nicht an die leistungsfähigen „Backbones“ der Telekommunikations-gesellschaften angeschlossen ist. Gerade in Hessen macht sich in dieser Hinsicht eine große Diskrepanz zwischen den Ballungszentren und den ländlichen Gebieten sehr stark bemerkbar.
Der Bedarf an hohen Bandbreiten bei Unternehmen und Haushalten wird weiter wachsen. Um das drastisch steigende Datenvolumen bewältigen zu können, muss das Glasfaserkabel künftig stärker verbreitet werden, was erhebliche Investitionen erfordert. Dieser Netzausbau wird überwiegend in den Ballungszentren vorangetrieben. Dadurch wächst der digitale Graben zwischen ländlicher Region und Städten weiterhin. Deshalb ist es wichtig insbesondere im ländlichen Raum einen flächendeckenden, bedarfsgerechten und zukunftsfähigen Ausbau der Breitbandinfrastruktur voranzutreiben. Dieses kann nur durch die Beteiligung der Kommunen und den kommunalen Unternehmen geschehen. Die Breitbandversorgung wird immer mehr zum Standortfaktor für Unternehmen. Deshalb wird dies künftig einer der großen Zukunftsaufgaben werden.
Das Engagement der Landesregierung bei diesem Thema hält sich in Grenzen. Zwar sind seit der beantragten Anhörung zum Breitbandanschluss im Januar 2010 Anstrengungen betrieben worden. Soll jedoch das Ziel der Bundesregierung, bis 2014 für 75 v.H. der Haushalte Anschlüsse mit Übertragungsraten von mindestens 50 MBit/s verwirklicht werden, muss mehr getan werden. Ebenso hat die Landesregierung bei der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) eine große Chance verpasst. Im Interesse der ländlichen Regionen Hessens hätte man sich für die Verankerung eines Breitband-Universaldienstes im TKG einsetzen und damit einen gesetzlichen Anspruch auf einen Breitbandanschluss geschaffen. Dieser Universaldienst regelt im TKG den Anspruch der BürgerInnen und Bürger auf einen Bretbandanschluss. So etwas kennt vor allem die Postbranche schon seit langem: Ihre Boten müssen Briefe an alle Haushalte zustellen, gleich wie mühsam der Transport aufs Land oder in die Berge auch sein mag. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Markt- kräfte allein nicht für eine befriedigende Versorgung der ländlichen Gebiete mit Breitbandanschlüssen sorgen können. Die Finanzierung dieses Universaldienstes hätte über einen Branchenfonds erfolgen können, in den die Telekommunikationsanbieter im Breitbandmarkt einbezogen sind. Durch das unerlässliche Bekenntnis der FDP, dass der Markt schon 60 alles regelt, ist diese Chance verpasst worden. Dabei gab es für diese Regelung auch in der CDU SympathisantInnen. Die Grüne Jugend Hessen setzt sich weiterhin für einen Breitband-Universaldienst ein. Nur so kann langfristig sichergestellt werden, dass die Breitversorgung auch im ländlichen Raum gewährleistet ist.
Medienkompetenz stärken!

1. Schutz im WWW
Allen wissenschaftlichen Prognosen zum Trotz, haben neue, als innovativ geltende
Medien nicht andere Formate ersetzt, sondern sie lediglich ergänzt. Gerade junge Menschen sind daher mit einer Vielzahl von Kommunikationsmitteln konfrontiert. Speziell das Internet bietet neben der Möglichkeit mehr Wissen über die Welt zu erhalten, auch ein hohes Risiko. Der Zugang für nicht altersgerechte Inhalte wird immer einfacher. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen im Netz liegt in Deutschland in der Kompetenz der Bundesländer und wird staatsvertraglich geregelt. Der Jugendmedienschutzstaatsvertrag, in Kraft getreten am 1.4.2003, hat den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien zum Ziel, die deren Entwicklung oder Erziehung beeinträchtigen oder gefährden, sowie den Schutz vor solchen Angeboten, die die Menschenwürde oder sonstige durch das Strafgesetzbuch geschützte Rechtsgüter verletzen. Der Versuch, den JMStV zu novellieren, ist Ende 2010 gescheitert. Die Alterskennzeichnung für Homepages war hier ein ausschlaggebender Punkt. Auch wir lehnen diese Alterskennzeichnung ab. Sie stellt hier nur unnötige Hürden auf, die dem Schutz der Kinder und Jugendlichen in keiner Weise Rechnung trägt.
Zuständig für die Überwachung des Staatsvertrages ist die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), ein gemeinsames Organ der Landesmedienanstalten. Dabei wird sie durch jugendschutz.net unterstützt, einer gemeinsamen Stelle für Jugendschutz aller Länder. Der JMStV folgt dem Prinzip der regulierten Selbstregulierung bzw. der Eigenverantwortung der Anbieter: Zur Erfüllung ihrer Verantwortlichkeit können sich die Anbieter freiwilligen Selbstkontrollen und deren Kodizes anschließen (etwa: Freiwillige Selbstkontrolle Multimediadienstanbieter,
fsm), die wiederum von der KJM anerkannt und in ihrer Umsetzung überwacht werden.
Lösungen für Kinder- und Jugendschutz im Internet zu finden, ist alles andere als einfach. Das zeigt nicht zuletzt das Scheitern der Novellierung des JMStV. Die KJM hat nunmehr Kriterien für die Anerkennung von Jugendschutzprogrammen vorgelegt. Diese Programme stellen nutzerautonome Filtermöglichkeiten auf dem Rechner (bzw. ggf. auf mobilen Endgeräten) dar. Das Filtern von Inhalten wird damit in die Hand der Eltern und Erziehungsberechtigten gegeben. Wer jedoch glaubt, mit diesen und andere Maßnahmen könne das Risiko von Kindern und Jugendlichen im Internet ganz aufgehoben werden, der täuscht sich. Es muss klar sein, dass es immer Möglichkeiten geben wird, die so genannten Jugendschutzprogramme zu umgehen. Letztlich können nur Maßnahmen ergriffen werden, die das Risiko im Internet für Kinder und Jugendliche mindern, sie aber nicht gänzlich risikofrei machen.
Medienkompetenz bereits in der Grundschule stärken!
Als notwendige Voraussetzung zur Risikominimierung erachten wir auch die Stärkung der Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen. Darüber hinaus bietet es einen zentralen Baustein im Umgang mit den neuen Medien. Medienkompetenz ist die Grundvoraussetzung, um selbstbestimmt an der digitalen Welt teilzuhaben. Sie umfasst neben der Beherrschung notwendiger (Kultur)Techniken (bspw. Lesen, Schreiben, Bedienung von Hard- und Software) auch eine ganze Reihe von Kompetenzen, die nicht allein im Medienkontext vonnöten sind, beispielsweise die Fähigkeit, Informationen einzuordnen, Dinge zu hinterfragen, sich kritisch mit Sachverhalten auseinanderzusetzen, Reflexion über das eigene Verhalten und die eigene Rolle in einer Gemeinschaft, aber auch wirtschaftliche Zusammenhänge und Interessen zu verstehen. Das Erlernen dieser Fähigkeiten erachten wir als Grundvoraussetzung zur Teilhabe an der digitalen Gesellschaft. Deshalb müssen die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit Medienkompetenz bereits im Grundschulalter erlernt werden kann. Dabei erachten wir freie Software als essentiellen Baustein dieses Konzeptes und setzen uns für deren Verbreitung ein. Hier ist die Ausstattung zunächst einmal notwendig. Darüber hinaus müssen die ErzieherInnen speziell im Bereich Medienpädagogik geschult werden. Dieses wird auch bei den LehrerInnen vonnöten sein. Jedoch wollen wir in der Schule Medienkompetenz als fächerübergreifende Aneignung verstanden wissen. Ein zusätzliches Schulfach „Medienkompetenz“ würde den Sinn verfehlen.

Datenschutz sicherstellen!
Hessen gilt als Stammland des Datenschutzes. Das im Oktober 1970 hier erlassene
Datenschutzgesetz ist das erste und älteste der Welt. Umso unerfreulicher, dass die Landesregierung sich diesem Thema scheinbar immer nur dann annimmt, wenn der öffentliche Druck groß ist. Dieses sieht man speziell bei der Zusammenführung zwischen privatem und öffentlichem Datenschutz unter dem Dach des hessischen Datenschutzbeauftragten. Nur aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshof, der Deutschland dazu verpflichtet den Datenschutz im privaten Bereich in völliger Unabhängigkeit zu organisieren, kam es zu einer Novellierung des hessischen Datenschutzes. Vorher wollte man lange Zeit nichts von dem Problem wissen. Wer die digitale Gesellschaft und den Datenschutz vereinbaren will, darf nicht reagieren, sondern muss agieren.
Bereits heute schon ergeben sich neue Problemfelder, die es notwendig machen, politische Lösungen herbeizuführen. Erst kürzlich war bekannt geworden, dass der Chaos Computer Club auf mehreren Festplatten Software zur Überwachung von Internet-Telefonaten entschlüsselt hat, die nicht nur zur Telekommunikationsüberwachung, sondern auch zu einem „Großen Lauschangriff“ und der Manipulation von Ermittlungsergebnissen eingesetzt werden könne. Hier kann man gerade auf Landesebene, speziell im Innenministerium sicherstellen, dass Software dieser Art nicht in den Umlauf kommen. Mit der Aufwertung des Datenschutzbeauftragten in Hessen ist ein wichtiger Schritt getan um dieses Thema stärker im Fokus zu haben. Künftig muss stärker auf die Berichte dieses Gremiums eingegangen werden.

Politik transparenter gestalten!
Durch das Internet hat man zudem mehr Möglichkeiten das politische Geschehen auf
Landesebene transparenter zu gestalten. Dieses wird auch immer stärker von Bürgerinnen und Bürgern eingefordert. Zu Recht, wie wir finden. Die Grüne Jugend Hessen erachtet die Schaffung von mehr Transparenz in der Landespolitik als wirksames Mittel auch zur Bekämpfung von Politikverdrossenheit. Diese baut auf zwei Grundpfeilern auf: Das Recht, wie auch der Zugang auf Informationen.
Das Recht der BürgerInnen auf Informationsfreiheit muss gesetzlich verankert werden. Viele Bundesländer haben dies bereits sichergestellt, einzig die Hessische Landesregierung stellt sich bei dieser Frage, nach wie vor quer. Die Grüne Jugend Hessen erachtet ein Informationsfreiheitsgesetz, was die Rechte der BürgerInnen auf Information sicherstellt, für unausweichlich. Das festgehaltene Wissen und Handeln öffentlicher Stellen zugänglich zu machen, um über die bestehenden Informationsmöglichkeiten hinaus die Transparenz der Verwaltung zu gewährleisten und eine Kontrolle staatlichen Handelns sowie die Meinungs- und Willensbildung in der Gesellschaft zu stärken muss ein zentrales Anliegen in modernen Demokratien sein. Sollte dieses Gesetz dann Realität werden, ist es notwendig gemeinsam mit den Kommunen Strategien zu erarbeiten, wie Informationsfreiheit vor Ort umgesetzt werden kann.
Desweiteren müssen Konzepte entwickelt werden um die Teilhabe der BürgerInnen an politischen Entscheidungen zu stärken. Das Internet kann hierbei eine große Rolle spielen, da schnell und barrierefrei zu aktuellen Themen diskutiert werden kann. Langfristig muss angestrebt werden im Internet eine Plattform zur Durchführung direkter Demokratie aufzubauen. Kurzfristig fordert die Grüne Jugend Hessen die Mitglieder des Hessischen Landtags dazu auf, sich aktiv im Internet einzubringen und Plattformen wie abgeordnetenwatch.de oder Twitter zu nutzen, um ihre politischen Entscheidungen besser für den Bürger nachvollziehbar zu machen und der Politikverdrossenheit entgegen zu wirken.
Beim Zugang auf Informationen kann das Internet eine große Rolle spielen. Hier sehen wir das Potenzial auf Landesebene nicht voll ausgeschöpft. Dass sich die BürgerInnen adäquat über die landespolitischen Geschehnisse informieren kann, setzt auch voraus, dass sie die Debatten im Landtag mitverfolgen können. Daher fordert die Grünen Jugend Hessen die Einrichtung eines Livestreams, der die Plenarsitzungen, wie auch die öffentlichen Ausschüsse überträgt. Die BürgerInnen können somit unmittelbar an dem politischen Alltag partizipieren und sich
unabhängig von der medialen Berichterstattung ihren eigenen Eindruck über die unterschiedlichen Sichtweisen bilden. Der Livestream wäre ebenso auch ein Beitrag für die politische Bildung im Schulunterricht. Er eignet sich ideal zur Vorführung von Debatten und macht Politik jenseits der Schulbücher erlebbar.



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