LMV März 2020: Gegen das EU-Türkei-Abkommen! Für eine menschliche Politik!
Seit einigen Tagen ist es in den Medien wieder lauter um die Situation der Menschen vor den Toren der EU geworden:
„Lauter“ deshalb, weil die türkische Regierung im Widerspruch zum EU-Türkei-Abkommen ihre Grenzen für geflohene Menschen geöffnet hat.
„Vor den Toren der EU“ deshalb, weil die Festungsmetapher leider immer noch zutrifft.
Circa 15.000 Menschen bangen nun im Niemandsland zwischen Griechenland und der Türkei um Hilfe. Natürlich ist es nicht nur so, dass sie friedlich warten würden: Wo Verzweiflung und Wut ist, da ist auch immer Gewalt – aber eine Gewalt, die durch die türkische Regierung provoziert wird, indem sie sie als Druckmittel gegenüber der EU instrumentalisiert. Die Antwort darauf ist Repression in Form von Tränengas und körperlicher Gewalt durch den griechischen Staatsapparat.
Circa 15.000 Menschen hängen zurzeit zwischen Griechenland und der Türkei fest. Sie werden als Verhandlungsmasse zwischen der EU und der Türkei missbraucht. Die menschenrechtlichen Umstände sind erbärmlich, immer wieder gibt es Angriffe von rechten Gruppen sowie Repression in Form von Tränengas und körperlicher Gewalt durch den griechischen Staatsapparat. Die Situation der Geflüchteten in Griechenland ist dabei bereits seit einigen Jahren menschenunwürdig. Die Europäische Politik trägt die Verantwortung für diese Situation, unter anderem weil sie im Deal mit der Türkei das Asylrecht von Menschen mit Füßen getreten hat.
Nach mehr als 4 Jahren Zeit hat die EU es nicht geschafft eine hinreichende Lösung für die Geflohenen und immer noch fliehenden Menschen aus den unterschiedlichen Teilen der Welt zu finden. Sowohl die Situation in Idlib, als auch die perspektivlose und menschenunwürdige Situation in den Nachbarländern Syriens war absehbar. Expert*innen haben immer wieder davor gewarnt. Die Europäische Union hat versagt darin rechtzeitig Menschen in ihren Heimatländern Unterstützung anzubieten und stattdessen auf Ignoranz und Abschottung gesetzt. Dabei wolle man doch „Fluchtursachen bekämpfen“.
Anstatt dies in den Blick zu rücken, sprechen die Medien von „Flüchtlingskrise“, davon, dass wir „die EU-Grenzen schützen“ oder, dass „Griechenland geholfen werden müsse“.
Wir als GRÜNE JUGEND Hessen stellen uns deshalb entschieden gegen die menschenmissachtende Politik der EU!
Deshalb reden wir nicht von „Flüchtlingskrisen“ oder „Flüchtlingswellen“, sondern von Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen!
Deshalb reden wir nicht vom „Schutz der EU-Grenzen“, sondern vom Schutz der Geflohenen!
Deshalb reden wir nicht von der „Hilfe für Griechenland“, sondern von der Hilfe für Menschen!
Weil wir unsere Politik auf einem humanistischen Weltbild aufbauen – und das im Gegensatz zur EU auch durchsetzen wollen – fordern wir deshalb:
1. die Aufkündigung des EU-Türkei-Abkommens. Die Zusammenarbeit mit autokratischen Regimen ist keine Zusammenarbeit, sondern eine Interessensgemeinschaft. Das Interesse der EU, über ihre jahrzehntelang verfehlte Politik hinwegzutäuschen, ist dabei genauso unwichtig wie das der Türkei, mittels der Zurückhaltung von Menschen in eine Machtposition zu gelangen. Unser Interesse gilt den Geflohenen! Wir fordern deshalb einen Paradigmenwechsel!
2. die Aufgabe, eine Lösung für die vielen geflohenen Menschen zu finden, als Aufgabe höchster Priorität zu setzen. Dies beinhaltet insbesondere die Frage nach einer Verteilung der Geflohenen innerhalb der EU.
3. bei weiterem Ausbleiben einer „gerechten“ Verteilungslösung innerhalb der gesamten EU, insbesondere die deutsche Bundesregierung als auch die Bundesländer dazu auf, Alternativkonzepte zu erarbeiten, die im Sinne einer gemeinsamen, länderübergreifenden Lösung stehen.
4. statt einer symptomatischen Verhinderung von Fluchtursachen à la Schlepperbekämpfung und Co. die Flucht der Menschen in den Kontext eines neoliberalen und auf maximalen Profit gerichteten Neo-kolonialen Wirtschaftssystems zu setzen, das systematisch Fluchtursachen reproduziert. Deutschland und die Europäische Union tragen durch ihre koloniale Vergangenheit (unter anderem) auf dem afrikanischen Kontinent und im Nahen und Mittleren Osten, mit der einhergehenden ökonomischen Ausbeutung sowie sozialen und politischen Destabilisierung und deren Nachwirkungen und Kontinuitäten, eine besondere Verantwortung und Schuld. Diese Schuld und Verantwortung muss von allen europäischen Akteur*innen in diesem Kontext wahrgenommen und bekannt werden.
5. Flucht deutlich stärker im Kontext des Klimawandels zu sehen, da dieser, laut Schätzungen der UN, in den nächsten Jahren die häufigsten Fluchtursachen produzieren wird.
6. Menschenrechtsverletzungen nicht hinzunehmen. Die GRÜNE JUGEND Hessen verurteilt das Aussetzen des Asylrechts von Seiten Griechenlands und die billigende Inkaufnahme dessen durch die anderen EU-Staaten. Dies stellt klar einen Verstoß gegen internationales Recht, sowie europäische Verträge dar. Die Europäische Union darf dies nicht hinnehmen, denn Asyl ist ein Menschenrecht! Den Geflüchteten muss ein, ihnen rechtlich zustehendes Asylverfahren bereitgestellt werden.
7. Des Weiteren unterstützen wir den Antrag der Bundestagsfraktion der GRÜNEN, dass Deutschland 5.000 unbegleitete Kinder, Schwangere, allein reisende Frauen* oder schwer Traumatisierte aus den griechischen Flüchtlingslagern aufnehmen sollte.
Außerdem unterstützen wir die 140 Städte in Deutschland, die sich als sichere Hafen bereit erklärt haben, Menschen aufzunehmen und fordern Horst Seehofer auf, dies in die Wege zu leiten. Das Aufnehmen von dringend Schutzbedürftigen untergräbt keine europäische Lösung sondern hilft Menschen, die akut in Not sind und keine europäische Einigung absitzen können. Wenn es den Bundesländern möglich ist besonders vulnerable Personen, wie Kinder und ihre Mütter oder unbegleitete Minderjährige von den griechischen Inseln aufzunehmen (zu welchem Schluss ein Gutachten kommt, das dem Redaktionsnetzwerk Deutschland vorliegt) rufen wir die Landesregierungen dazu auf, dementsprechend zu handeln.
Beschlossen am 08.03.2020 auf der Landesmitgliederversammlung in Darmstadt.
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