23. Mai 2016

LMV Mai 2016: Menschen in den Vordergrund – (Be)hindernisse abbauen



Seit der UN-Behindertenrechtskonvention von 2005 hat sich einiges getan. Die Inklusion in der Schule ist beschlossen, wir bauen fleißig Rollstuhlrampen und Fußgänger*innenampeln für Blinde und gelegentlich erlebt man sogar Fahrplanansagen oder Wegweiser und Essenspläne in Braille-Schrift. Aber geht da nicht noch mehr?

 

Barrierefreiheit für alle

Wenn wir den Begriff der Barrierefreiheit aussprechen, assoziieren die meisten damit Gehbehinderte. Doch Barrierefreiheit ist mehr als ein paar Rollstuhlrampen, Einstiegshilfen in öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrstühle. Wir fordern daher Ausschilderungen in Braille-Schrift in allen öffentlichen Gebäuden, Info-Broschüren sowie Homepages in leichter Sprache und kostenlose Dolmetscher*innen für Gebärdensprache. Die hessische Landesregierung und die Kommunen sehen wir in der Pflicht, beim Neubau und bei der Sanierung öffentlicher Gebäude auf Barrierefreiheit zu achten. Daher fordern wir die Landesregierung auf, ein Inklusionsbudget einzurichten, bei dem Städte und Gemeinden Zuschüsse für die Umsetzung von inklusiven Maßnahmen beantragen können.

 

Mobilität barrierefrei gestalten

Auch im Verkehr und besonders im öffentlichen Personenverkehr stoßen Behinderte auf vielerlei Hindernisse. Fahrzeuge jeglicher Art müssen für Blinde weiterhin hörbar bleiben. Das gilt besonders für Elektroautos. Wir unterstützen daher die Automobilindustrie bei ihrer Suche nach einem einheitlichen Standard. Die Grüne Jugend Hessen setzt sich darüber hinaus für deutliche und gut hörbare Haltestellenansagen in allen öffentlichen Verkehrsmitteln und für aktuelle Fahrplanansagen an allen Haltestellen und Gleisen ein. Um Blinden den Weg zum Gleis und zur Haltestelle zu erleichtern, fordern wir Gleis- und Haltesteig-Kennzeichnungen. Bahnhöfe und Gleise müssen barrierfrei zugänglich sein. Damit niemand durch seine Behinderung vom öffentlichen Personenverkehr ausgeschlossen bleibt, setzen wir uns für einen flächendeckenden Einsatz von Niederflurfahrzeugen oder Fahrzeugen mit Einstiegshilfe in Bus- und Bahnverkehr ein. Wir finden es untragbar, Menschen, die auf Elektro-Rollstuhl oder -Scooter angewiesen sind, von der Beförderung auszuschließen. Die Deutsche Bahn fordern wir auf, zu gewährleisten, dass in jedem Zug Einstiegshilfen und sichere Stellplätze für Menschen mit Rollstuhl zur Verfügung gestellt werden, wie es in den Regionalzügen von Cantus und Hessischer Landesbahn bereits der Fall ist.

 

SMS-Notruf für Gehörlose, Gehörgeschädigte und Stumme

Wer in Deutschland einen Notruf absetzen muss, kann dies bisher nur mit einem Anruf oder Fax tun. Einen Notruf abzusetzen ist für Gehörlose, Gehörgeschädigte und Stumme daher schwer möglich. Ein SMS-Notruf, wie er in anderen Ländern bereits existiert, ist in Deutschland nicht flächendeckend möglich. Begründet wird dies mit der Angst vor gesteigertem Missbrauch von Notrufen durch diese Funktion. Sieht man sich die Statistiken der Länder, die einen SMS-Notruf eingeführt haben, jedoch einmal an, wird dieses Argument schnell entkräftet; zumal auch eine SMS zurückverfolgt werden kann. Wir setzen uns daher für die Einführung eines SMS-Notrufs oder eines App-Systems ein.

 

Untertitel in Fernsehen und Internet

Das Fernsehen ist für viele immer noch ein wichtiges Medium zur Unterhaltung und Informationsgewinnung. Leider werden im Fernsehen längst nicht alle Sendungen mit Untertiteln angeboten. Damit werden Gehörlose und Gehörgeschädigte von der Nutzung größtenteils ausgeschlossen. Wir sprechen uns daher für eine Verpflichtung der öffentlich-rechtlichen Sender zum flächendeckenden Angebot der Untertitelung aller Sendungen und die Herausgabe einer Leitlinie dafür aus. Die Untertitel müssen hierbei auch in den Online-Mediatheken der Sender und auf ihren Youtube-Kanälen sowie Facebook-Seiten zur Verfügung gestellt werden.

Verschiedene Dimensionen von Behinderung anerkennen Behinderungen sind genauso verschieden wie die Menschen, zu denen sie gehören. Es gibt körperliche, geistige und seelische Behinderungen. Dennoch werden oft nur die ersteren beiden gesellschaftlich als Behinderungen „anerkannt“. Dass man beispielsweise auch mit andauernden Depressionen (meist nach ICD F33.-) einen Schwerbehindertenausweis bekommen kann, wissen nur wenige. Wir setzen uns deshalb für mehr Aufklärung ein, ganz besonders auch an Schulen, wo „behindert“ noch immer eins der beliebtesten „Schimpfwörter“ auf dem Schulhof ist. Dabei ist ebenfalls wichtig zu verdeutlichen: Menschen sind nicht ihre Diagnose. Sie darauf zu reduzieren, begünstigt Stigmatisierung und eine Überidentifikation mit der Diagnose. Auch Menschen mit Behinderung sind verschieden. Einige kommen gut mit ihrer Behinderung zurecht und können sie als einen Teil von sich akzeptieren, andere verzweifeln daran. Einige können genauso viel leisten wie Menschen ohne Behinderung, andere können nicht so viel leisten und wieder andere können auch nicht so viel wie der Durchschnitt der Menschen mit der gleichen Art von Behinderung leisten. Wir dürfen Menschen nicht nach dem Grad ihrer Angepasstheit an die Gesellschaft und nach ihrer Leistungsfähigkeit bewerten.

Beschlossen, am 22.5.2016 auf der Landesmitgliederversammlung in Wiesbaden.



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