LMV November 2017: Für ein solidarisches und demokratisches Europa!
Während der Bundestagswahl wurde das Thema Europa leider kaum beachtet, dabei ist es sehr wichtig, dass die demokratischen Parteien eine klare proeuropäische Haltung zeigen. Für uns als junge Generation steht Europa für Freiheit, Vielfalt und Solidarität über die Grenzen hinweg. Wir werden für dieses Europa kämpfen, Forderungen an eine weitere europäische Integration stellen und diese aktiv mitgestalten.
Die Europäische Union wird aktuell durch viele Konflikte in ihren Grundfesten erschüttert. Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ist gefordert von regionalen kriegerischen Konflikten, internationalem Terrorismus oder globalen Krisen durch Hunger oder Folgen des Klimawandels. Innerhalb der eigenen Grenzen wird die EU von populistischen Bewegungen kritisiert und durch Austrittsbestrebungen auf die Probe gestellt. Die GRÜNE JUGEND Hessen ruft zu einem demokratischen, solidarischen und modernen Europa auf.
Mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge und der weiteren Vertragsverhandlungen wurden wichtige Schritte zur Europäischen Integration geleistet. Dabei war zwar auch immer eine europäische, intensive Wirtschaftsgemeinschaft das Ziel – jedoch versteht sich die Europäische Union damals wie heute als Wertegemeinschaft, deren primäre Ziele die friedliche Verständigung und kontinuierliche Überwindung der staatlichen Grenzen sind. Inzwischen verkörpert die EU nicht nur Frieden und einen Binnenmarkt mit nahezu allumfassenden Grundfreiheiten, sondern ist Symbol für Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Als junge Europäer*innen können wir uns ein Leben mit innereuropäischen Grenzkontrollen kaum mehr vorstellen. Dabei dürfen wir bei aller Freizügigkeit und Vernetzung, die uns die Europäische Union durch den Abbau der Binnengrenzen ermöglicht, nicht vergessen, dass die Außengrenzen der EU inzwischen wieder äußerst stark abgesichert werden. Die Europäische Union schottet sich nach außen ab. Über 5.000 Geflüchtete sind 2016 im Mittelmeer ertrunken. Aufgrund des „Migrationspaktes“ zwischen der EU und der Türkei haben unzählige Menschen keine Möglichkeit mehr, in die EU einzureisen, die nicht lebensgefährlich wäre. Die EU muss in diesem Bereich ihre Politik ändern, denn die aktuelle Asylpolitik gefährdet Menschenleben und den Zusammenhalt innerhalb der EU.
Dabei darf nicht vergessen werden, dass auch die autoritäre Wirtschaftspolitik der letzten Jahre, die vor allem von den Mächtigen der Eurozone unter maßgeblicher Beteiligung der deutschen Regierung bestimmt war, ihren Anteil am Vertrauens- und Zusammenhaltsverlust der EU hat. Austeritätspolitik ist kein geeignetes Mittel im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit und Abstiegsängste, sondern spaltet die Europäer*innen in Mächtige und Abhängige, Verlierer*innen und Gewinner*innen. Wir brauchen stattdessen Investitionen in die Jugend und die Entwicklung einer sozialen Säule der EU, die nicht nur Makulatur sein darf. Dies kann nur mit mehr Vergemeinschaftung in der Sozial- und Wirtschaftspolitik gelingen. Standortkonkurrenz und ein „race-to-the-bottom“ in Steuer- und Finanzfragen schaden nicht nur der EU, sondern vor allem den Menschen; das wollen wir ändern.
Kritisch betrachten wir die Entwicklungen in einigen Mitgliedsstaaten, in denen grundlegende Freiheiten eingeschränkt werden, die Gewaltenteilung zum Teil aufgehoben wird, Minderheiten diskriminiert werden oder nationalistische und rechte Regierungen gebildet werden. Europa steht für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit, das muss in allen Mitgliedstaaten gelten. Aber auch hier ist aus deutscher Sicht, gerade im Hinblick auf Polen, der erhobene Zeigefinger nicht angebracht. So existiert in Deutschland seit der NS-Zeit eine Kontinuität des antipolnischen Rassismus, der einen entscheidenden Einfluss auf die EU- und vor allem Deutschland-kritische Stimmung hat. Deswegen sollten demokratische und antinationalistische Bewegungen und Initiativen unterstützt werden.
Auch in den anstehenden Sondierungs- und eventuell daraus entstehenden Koalitionsgesprächen auf Bundesebene muss Europa ein zentrales Thema sein.
Für eine grüne Regierungsbeteiligung auf Bundesebene fordert die GRÜNE JUGEND Hessen einen klaren proeuropäischen Kurs, der dabei nicht vergisst, Reformen und mehr Transparenz zu fordern. Es braucht eine Überarbeitung der Kompetenzverteilung der Europäischen Institutionen, vor allem muss das Europäische Parlament mit dem Initiativrecht ausgestattet werden. Das Handeln und Entscheiden auf europäischer Ebene muss partizipativer und transparenter werden. Eine deutsche Bundesregierung mit grüner Beteiligung muss sich für einen gemeinsamen Weg aus dem Problem der Jugendarbeitslosigkeit und dem kontinuierlichen Abbau der Sozialsysteme in den südlichen Mitgliedsstaaten einsetzen und konstruktive Alternativen zur einseitigen Sparpolitik einbringen. Das gilt auch für die Rückkehr zu einer gemeinsamen und humanen Geflüchteten- und Asylpolitik.
Wir wollen Europa aber auch grundsätzlich weiterentwickeln, hin zu einem Europa der Regionen. Die nationale Ebene hat sich überholt, eine wirklich europäische Idee spielt sich zwischen Regionen und europäischer Ebene ab. Um es mit den Worten Walter Hallsteins, des ersten EWG-Kommissionspräsidenten, zu sagen: „Was immer wir in den neu geschaffenen europäischen Institutionen beschließen und durchzusetzen versuchen, Ziel ist und bleibt die Überwindung der Nationen und die Organisation eines nachnationalen Europas.“ Ziel und Ansatzpunkte für europäische Zukunftsvisionen muss insofern sein, nicht nur Nationalismus, sondern auch das Konstrukt der Nation zu überwinden. Ein nachnationales Europa, das bleibt unser Auftrag.
Als GRÜNE JUGEND Hessen müssen wir ganz deutlich zeigen: Wir sind die erste europäische Generation! Wir studieren dank Erasmus europaweit, führen Beziehungen zwischen Italien und Schweden, fordern ein Free-Interrail-Ticket und verfolgen die Wahlen in den Nachbarländern per Internet-Livestream. Wir sollten uns die Chancen und die Freiheit, die die EU uns und allen Menschen, die gerne hier leben wollen, bietet, nicht von Nationalist*innen wegnehmen lassen. Gleichzeitig sind wir auch in der Verantwortung, die Reformbedürftigkeit, die strukturellen und inhaltlichen Fehler laut auszusprechen. Wir müssen uns als junge Europäer*innen über die Grenzen der Nationalstaaten hinweg vernetzen und gemeinsam unsere Forderungen nach einem solidarischen Europa vertreten: gegen inhumane Asylpolitik, Austerität, rechte Tendenzen, Rückkehr zum Nationalstaat und Abschottung – für Reformen, mehr Transparenz, demokratischere Strukturen, Toleranz, Gleichberechtigung und mehr Zusammenhalt. Machen wir Europa gemeinsam zu unserem Europa!
← zurück