LMV November 2017: Kritische politische Bildung zur Erziehung zur Mündigkeit – für einen Ausbau der Kinder- und Jugendpartizipation
Partizipation von Kindern und Jugendlichen stärken
Das gemeinsame Ziel einer demokratischen Gesellschaft muss es sein, möglichst viele Kinder und Jugendliche auf kommunaler Ebene zu beteiligen und vor allem auch zur Partizipation anzuleiten und zu animieren. Dabei ist es wichtig, dass junge Menschen aus allen sozialen Schichten, jeglicher sexuellen Identität und jeder Herkunft beteiligt werden. Es muss die Aufgabe des Staates sein, Kinder und Jugendliche bei Entscheidungen, die sie betreffen, zu fragen und nicht zu warten, bis sie sich beschweren oder zufällig davon mitbekommen. Am einfachsten kann diese Beteiligung auf der kommunalen Ebene gelingen. Dies bedarf allerdings einer professionellen Begleitung.
In der alltäglichen Diskussion wird oftmals die These vertreten, dass sich Kinder und Jugendliche zu einem großen Teil nicht für Politik interessieren und es daher kaum eine Chance oder einen Ansatz gibt, sie zu beteiligen. Die GRÜNE JUGEND Hessen widerspricht dieser Auffassung vehement: Kinder und Jugendliche sind an den Entscheidungen, die sie betreffen, durchaus interessiert. Es fehlt ihnen aber oftmals das Wissen, wo und wie sie sich einbringen können. Gerade in kleineren Städten und Dörfern herrscht häufig ein äußerst geringer Grad an Partizipationsmöglichkeiten vor. Vor allem in ländlichen Regionen gibt es zudem wenige Angeboten der Jugendsozialarbeit. Es mangelt an Aufenthaltsräumen (soziale oder kulturelle Zentren) und an Freizeiteinrichtungen (Bolzplätze, Parks oder Sporthallen). Rechte und undemokratische Gruppierungen haben es dort leicht, mit Angeboten für Kinder und Jugendliche interessant zu sein, und somit ihre ideologischen Vorstellungen zu verbreiten. Die GRÜNE JUGEND Hessen versteht daher Jugendpartizipation auch als Mittel der Prävention gegen rechts und als Möglichkeit der Vermittlung demokratischer Werte zur Stärkung der Zivilgesellschaft. Weiter setzen wir uns für eine kritische politische Bildung ein, die die Erziehung zur Mündigkeit zum Ziel hat. Politische Bildung von Staatswegen darf nicht nur zum Selbstzweck vermittelt werden, auf dass die Wahlbeteiligung nicht zu niedrig sei und Kindern und Jugendlichen ausschließlich beigebracht wird, alle vier Jahre mal wählen zu gehen. Vielmehr muss eine zentrale Komponente die Anleitung zur Selbstreflexion und zur Entwicklung eines kritischen Bewusstseins sein.
Für eine demokratische und inklusive Beteiligungskultur
Die GRÜNE JUGEND Hessen fordert daher eine demokratische und inklusive Beteiligungskultur von Kindern und Jugendlichen. Diese muss sich an den folgenden qualitativen Merkmalen messen lassen:
– Demokratische Strukturen
Um die Interessen einer bestimmten Gruppe der Gesellschaft wahrnehmen zu können, bedarf es einer demokratischen Struktur. Dies gilt auch für die Gruppe der Kinder und Jugendlichen. Dabei können Vertreter*innen durch demokratische Wahlen festgelegt oder durch basisdemokratische Entsendeverfahren delegiert werden. Dies dient zudem der Heranführung an demokratische Systeme, wie das repräsentative Wahlsystem der Bundesrepublik Deutschland. Zudem müssen diese repräsentativen Strukturen durch basisdemokratische Elemente ergänzt werden.
– Dialogorientierte Beteiligung
Die Interessen von Kindern und Jugendlichen müssen aktiv von Mitarbeiter*innen der Kommunen, des Landes und des Bundes abgefragt werden. Dabei ist auf eine inklusive Sprache zu achten, die von allen verstanden werden kann. Zudem bedarf es Ansprechpartner*innen, die für Kinder und Jugendliche da sind. Jeglicher Dialog muss dabei auch digital möglich sein.
– Direktdemokratische Verfahren
Die demokratischen Prozesse innerhalb eines Parlaments bis hin zur finalen Entscheidung können langwierig und komplex sein. Dies kann schnell demotivieren. Umso wichtiger ist es, dass die Beteiligungsstrukturen für Kinder und Jugendliche auch direktdemokratische Elemente beinhalten, bei denen auch einmal kurzfristig Entscheidungen getroffen werden, bspw. von einer Versammlung. Diese Entscheidungen müssen dann von den verantwortlichen Politiker*innen ernst genommen und zeitnah beachtet werden.
– Protest, soziale Bewegungen, Initiativen einbinden
Viele Kinder und Jugendliche engagieren sich bereits im außerparlamentarischen Rahmen. Diese Tatsache sollte von staatlichen Vertreter*innen wahrgenommen und auch aktiv gefördert werden, auch wenn diese Bewegungen staatskritische Inhalte aufweisen. Möglichweise können Elemente und Inhalte dieser Gruppen auch in die parlamentarische Arbeit aufgenommen werden.
– Freiwilliges Engagement produktiv nutzen
Auch in anderen Bereichen (Vereine, Kirchen, etc.), die zunächst einmal nicht unbedingt politisch sein müssen, engagieren sich Kinder und Jugendliche. Dieses Engagement sollte Einfluss auf die Konzepte der Kinder- und Jugendbeteiligung haben, um jegliches Engagement gemeinsam produktiv nutzen zu können. Hierbei ist es wichtig, die Beteiligung dort zu initiieren, wo sich Kinder und Jugendliche aufhalten, bspw. nach dem Training oder der Theaterprobe.
Partizipation in Schulen
Innerhalb von Schulen gibt es bereits eine gesetzlich vorgeschriebene Vertretungsstruktur: die Schüler*innenvertretung (SV). Diese muss ernst genommen, unterstützt und dort, wo sie noch nicht besteht, eingeführt werden. Die GRÜNE JUGEND Hessen fordert einen Ausbau der SVen. Aktuell ist zwar bereits in einer Verordnung festgehalten, dass es einen Anspruch von Schüler*innen auf Schüler*innenvertretungen und Wahlen von Klassensprecher*innen innerhalb der ersten drei Wochen nach Unterrichtsbeginn gibt. Wir wollen diesen Anspruch aber zu einer Auflage für jede Schule machen, eine SV zu haben und diese in Entscheidungen einzubinden.
Aber auch die Rechte der übergeordneten Ebene des Stadt- oder Kreisschüler*innenrates sollten ausgebaut werden. Der SSR/KSR muss einen festen Sitz im Schulausschuss und der, falls vorhanden, -kommission haben. Zudem sollte eine Geschäftsführung von der Stadt oder dem Kreis finanziert werden, um die Organisation zu übernehmen. Der allgemeine Etat muss so hoch sein, dass eigene Aktionen zur demokratischen Mitbestimmung finanziert werden können.
Die Landesschüler*innenvertretung soll darüber hinaus Rede- und Antragsrecht im Hessischen Schulausschuss haben. Dies könnte ebenso für die Landesastenkonferenz im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst gelten.
Die GRÜNE JUGEND Hessen vertritt das Ideal der Demokratisierung aller Lebensbereiche der Gesellschaft – von Anfang an und ohne Ausnahme. Das gilt auch für Kindergärten, Kitas, Vorschulen und Schulen. In diesen Einrichtungen werden den Jüngeren bisher weitgehend ihre Partizipationsmöglichkeiten verwehrt. Das ist nicht demokratisch. Daher muss auch bereits im Kindergarten das Mitentscheiden und Wählen zum Alltag gehören.
– Klassenräte an jeder Schule!
Um eine Demokratisierung unserer Schulen zu erreichen, fordern wir Klassenräte ab der 1. Klasse. Sogenannte „Klassenräte“ sind bereits seit langem unter dem Namen „SV-Stunde“ (laut §21 Absatz 2 der SV-Verordnung) im Hessischen Schulgesetz zu finden, doch leider gibt es sie längst nicht an jeder Schule. Dies wollen wir ändern! Laut Hessischer Verordnung zu den SV-Stunden sind derzeit nur Klassen ab der Jahrgangsstufe 5 berechtigt selbstgeleitete SV-Stunde abzuhalten. Wir möchten dem Umstand, dass demokratische und politische Bildung dringend nötig ist, Rechnung tragen und dieses Recht auch auf Grundschulen erweitern. Denn es ist wichtig, dass auch die jüngsten Schüler*innen von Anfang an mitbestimmen dürfen. Insbesondere in der Grundschule kann und sollte dabei zu Beginn die Lehrperson unterstützen und die Schüler*innen mittels grundlegender politischer Bildung langsam an das System heranführen, denn bereits Grundschüler*innen interessieren sich für Politik und für alles, was um sie herum geschieht. Darüber hinaus muss zu Beginn gemeinsam mit den Schüler*innen erarbeitet werden, in welchem Rahmen sich die Gestaltungsmöglichkeiten bewegen und wo es Grenzen gibt. Dabei sollten Grenzen aber nur dort gelten, wo direkt die Sicherheit der Schüler*innen betroffen ist oder ein Konflikt mit gesetzlichen Bestimmungen vorherrscht.
Die Klassenratssitzungen müssen einen festen Platz in Form einer Unterrichtsstunde à 45 Minuten pro Woche im Stundenplan haben, um Regelmäßigkeit und Beständigkeit sicherzustellen. Zu Beginn jeden Schuljahres werden von der Klasse die beiden Klassenratsvorsitzenden (mindestens eine FIT-Person) und ein*e Zeitwächter*in gewählt. Die Sitzung findet immer im Plenum mit allen Schüler*innen der Klasse statt. Alle haben ein gleichwertiges Stimm- und Rederecht. Auch die*er (Haupt-)Klassenlehrer*in ist anwesend und hat ein Rede-, jedoch kein Stimmrecht. Auf Wunsch der Klasse kann die Lehrperson gebeten werden, den Raum zu verlassen. Die Klassenratsvorsitzenden leiten die Sitzung und bereiten diese vor. Dabei dürfen sowohl jede*r einzelne Schüler*in als auch die Lehrperson Themen zur Tagesordnung ergänzen.
Die Klassenratsvorsitzenden leiten jedoch nicht nur die Klassenratssitzungen, sondern sind auch für den Schulrat delegiert und bringen dort die Ideen, Probleme und Wünsche ihrer Klasse ein. Der Schulrat setzt sich aus allen Klassenratsvorsitzenden der Schule sowie der Schüler*innenvertretung (SV) zusammen, die von der gesamten Schüler*innenschaft zu Beginn des Schuljahres direkt gewählt wird. Er trifft sich mindestens einmal im Monat und wird von den beiden Schulsprecher*innen oder aber von der*dem Schulsprecher*in und ihrer*ihrem Vertreter*in geleitet. Bei Bedarf kann er jedoch durch die Vertreter*innen von mindestens drei Klassen oder durch die SV innerhalb einer Woche auch außerordentlich einberufen werden. Sowohl Klassen- als auch Schulrat bieten dabei die Möglichkeiten, Anregungen und Kritik an einzelne Lehrpersonen „anonym“ weiterzuleiten.
Die Schüler*innen werden durch im Rahmen der SV-Wahl gewählte Delegierte in der Schulkonferenz vertreten, wo diese sowohl Rede- als auch Stimmrecht haben. Die Delegierten dürfen auch anderen Konferenzen, z. B. Fachkonferenzen und der Gesamtkonferenz, beiwohnen und sich einbringen, haben dort jedoch kein Stimmrecht.
Die Schulkonferenzen sollten dabei paritätisch besetzt werden. Bis zur Sekundarstufe I, demnach für die Grundschulen mit Förderstufe und Förderschulen, geschieht dies drittelparitätisch zwischen Lehrer*innen, Schüler*innen und Eltern. In der Sekundarstufe I und in Schulen mit Sekundarstufe I und II soll die Schulkonferenz mit 40% Lehrer*innen, 40% Schüler*innen und 20% Elternvertreter*innen besetzt sein. Ab der Sekundarstufe II und für die Beruflichen Schulen soll die Schulkonferenz paritätisch zwischen Schüler*innen und Lehrer*innen besetzt sein. Die Elternvertretung übernimmt dann eine beratende Rolle.
Partizipation an der Hochschule
Auch in der Hochschulpolitik treten wir für eine weitgehende Demokratisierung ein: Diejenigen, die an den Hochschulen zusammen lehren, lernen und forschen, sollten bestimmen, wie Wissenschaft organisiert wird. Dem steht das Modell der Ordinarienuniversität, bei der nahezu nur die Professor*innen die Universität führen, genauso entgegen wie neoliberale Management-Modelle, die auf die Verwertbarkeit des erzeugten Wissens zielen.
Freie Wissenschaft organisiert sich selbst und lässt sich nicht zentral steuern. Deshalb treten wir dafür ein, dass Studierende und Wissenschaftler*innen selbst über ihre Forschung und Lehre bestimmen. Dem stehen leider viele Dinge im Weg: Zentralisierte Strukturen mit starken Präsidien verfolgen eine Standortpolitik und setzen dabei auf Prestige und Mitteleinwerbung statt auf wissenschaftliche Kriterien. Die Hochschulfinanzierungstrukturen ermuntern nicht dazu, dem eigenen Interesse zu folgen, sondern dem, was von intransparenten Stiftungen und vom Mainstream gewollt wird. Eine demokratische Hochschule hingegen muss gut ausgestattet und grundfinanziert sein – wettbewerbskompatibles Antragschreiben schadet der freien Ausrichtung von Wissenschaft enorm.
Um Wissenschaft und Forschung in der Autonomie aller an Wissenschaft Beteiligten frei zu gestalten, wollen wir allen auch einen gleichen Anteil an der Mitbestimmung geben und bestehende Machtverhältnisse an Hochschulen aufbrechen. Alle Lehrenden (bisher Professor*innen und Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen) sollten, wie in vielen Ländern üblich, eine Statusgruppe bilden und nicht in Hierarchien eingebunden sein. Alle Gremien der Hochschule sind paritätisch mit Lehrenden, Studierenden und Angestellten der Hochschule zu besetzen. Hierbei ist es uns auch ein Anliegen Outsourcing zu beenden und beispielsweise Mitarbeiter*innen im Reinigungsdienst als Hochschulbeschäftigte einzuschließen. Die so besetzten Gremien müssen anschließend auch die Entscheidungsorgane für alle Fragen sein, die nicht direkt „an der Basis“ zwischen einzelnen Wissenschaftler*innen und Studierenden geklärt werden können: fachbereichsweite Entscheidungen im Fachbereichsrat und seinen Ausschüssen, hochschulweite im Senat und seinen Ausschüssen. Modelle der der managerialen Kontrolle wie Hochschulräte haben sich nicht bewährt und sollten wieder abgeschafft werden, das Präsidium wollen wir zu einer gemeinsamen Verwaltungsleitung aller Statusgruppen weiterentwickeln.
Die Verfassten Studierendenschaften wollen wir in ihrer Autonomie stärken. Sie sollten ein politisches Mandat und die volle Satzungs- und Finanzautonomie erhalten, denn Demokratie bedeutet auch, die eigene Satzung und Verfassung ändern zu können. Auch die Studierenden- bzw. Studenten[sic!]werke möchten wir demokratisieren und endlich geschlechtergerecht umbenennen.
Partizipation in der Ausbildung
Mitbestimmung, Partizipation und Demokratie wollen wir auch im Wirtschaftssystem stärken. Dazu gehören für uns als Jugendverband zentrale Verbesserungen bei den Rechten von Auszubildenden.
– Jugend- und Auszubildendenvertretungen stärken
Die Jugend- und Auszubildendenvertretungen müssen gestärkt werden. Solche Vertretungen müssen auch in Betrieben ohne Betriebsrat möglich sein, so dass junge Menschen auch dort über und am Betriebs- und Ausbildungsleben mitentscheiden können, unabhängig davon, ob die Belegschaft in einem Betriebsrat organisiert ist oder nicht. Dort, wo betriebsratliche Strukturen bestehen, müssen auch die Auszubildenden mitbestimmen können. Deshalb fordern wir ein Stimmrecht für die Jugendvertretungen in den Betriebsräten. Schließlich sollten alle Beschäftigten in einem Betrieb über ihre Angelegenheiten mitbestimmen und somit auch das aktive und passive Wahlrecht zum Betriebsrat erhalten – unabhängig vom Alter und von der Existenz oder Möglichkeit einer Auszubildendenvertretung. Die gleichen Forderungen wollen wir auch im Hessischen Personalvertretungsgesetz umsetzen.
– Mindestausbildungsvergütung einführen
Gerade für junge Menschen, die eine Ausbildung anfangen, ist dieser Schritt auch ein wichtiger Teil des Weges in die Unabhängigkeit. Deswegen muss die Vergütung in der Ausbildung auch die Möglichkeit zur finanziellen Unabhängigkeit schaffen. Dafür braucht es eine branchenübergreifende Mindestausbildungsvergütung, die für alle gilt und sowohl eine Wohnung, als auch mehr Freiheit in der Freizeitgestaltung ermöglicht.
Kinder- und Jugendparlamente auf kommunaler Ebene
Die GRÜNE JUGEND Hessen fordert langfristig für jede Kommune ein Angebot der Kinder- und Jugendarbeit (Jugendzentrum), um einen ersten Anlaufpunkt zu bieten. Dieses Zentrum muss mit einer pädagogischen Fachkraft besetzt sein, um einen möglichst barrierefreien Zugang zu bieten. Kurzfristig muss solch ein Angebot zumindest in den Unterzentren existieren, die von den umliegenden Kommunen gut mit dem ÖPNV erreichbar sind. Alle Angebote für Kinder und Jugendliche müssen dabei digital zu finden sein und eine Möglichkeit bestehen, mit den Mitarbeiter*innen auch über das Internet in Kontakt zu treten.
Als unterste Ebene der Jugendpartizipation wollen wir regelmäßig stattfindende dezentrale Kinder- und Jugendversammlungen. Diese sollen durch kommunale Mitarbeiter*innen unterstützt werden, die bei Vorbereitung, Durchführung und Auswertung helfen und eine Verstetigung herbeiführen. In größeren Städten sollten dies Stadtteilversammlungen sein. Die Ergebnisse dieser Veranstaltungen werden dann in den regional zuständigen Parlamenten vorgestellt, wobei die vorstellenden Vertreter*innen in den jeweiligen Sitzungen Rede- und Antragsrecht haben sollten. Die Repräsentant*innen werden aus der Mitte der Versammlungen gewählt. Die GRÜNE JUGEND Hessen sieht eine parlamentarische Organisationsform auf der untersten Partizipationsebene kritisch, da diese möglicherweise einem inklusiven Ansatz zugegen laufen könnte. Alle Kinder und Jugendlichen sollten mitreden und mitentscheiden dürfen. Somit können flexibel und spontan Themen besprochen werden, die gerade aktuell sind oder die Teilnehmenden interessieren.
Für jede Kinder- und Jugendversammlung muss zudem ein eigenes Budget vorgesehen sein, um Angebote der politischen Bildung nutzen zu können. Aus ihrer Mitte werden Vertreter*innen gewählt, die Rederecht in allen Ausschüssen und feste Sitze in sie betreffenden Ausschüssen (bspw. Jugendhilfeausschuss) haben.
Die besprochenen Inhalte fließen sodann regelmäßig in ein übergeordnetes Kinder- und Jugendparlament, dessen Abgeordnete ebenfalls von den Kinder- und Jugendversammlungen gewählt werden. Aus seiner Mitte werden Vertreter*innen gewählt, die Rederecht in allen Ausschüssen und feste Sitze in relevanten Ausschüssen (bspw. Jugendhilfeausschuss) der äquivalenten Parlamente (Stadtverordnetenversammlung, Kreistag) haben.
Alle Ebenen der Kinder- und Jugendpartizipation sollten digitale Plattformen zur Kommunikation nutzen. Diese müssen selbstverständlich zeitgemäßen Ansprüchen des Datenschutzes und der Datenknappheit folgen.
Erweiterung des Wahlrechts
Wahlen sind eines der essentiellsten Elemente unserer Demokratie. Für die Legitimation von Parlamenten und Regierungen ist ein System unerlässlich, das möglichst allen Bürger*innen die Teilnahme an Wahlen ermöglicht. Das Wahlrecht der Bürger*innen ist ein hohes Gut. Wir setzen uns dafür ein, eine Teilhabe an Wahlen möglichst allen, die in Deutschland wohnen, zu ermöglichen.
Ein elementarer Schritt in diese Richtung ist, die überholten Wahlaltersgrenzen nicht nur immer weiter zu senken, sondern letztlich ganz abzuschaffen. Ein höheres Lebensalter per se macht niemanden politisch gebildeter oder interessierter an der Politik. Ein hohes Lebensalter ist keine Qualifikation und ein geringes Lebensalter kein Qualifikationsmangel. Einer Gruppe Menschen das Wahlrecht mit der Begründung abzusprechen, sie seien noch nicht mündig, eigene Entscheidungen zu treffen, lehnen wir ab. Wichtig ist es jedoch, die politische Bildung, weit mehr als es aktuell der Fall ist, im Bildungssystem zu verankern, um allen Menschen die Fähigkeit zu geben, eine Wahlentscheidung zu treffen. Hierbei dürfen nicht nur Gymnasien in die Pflicht genommen werden, fächerübergreifend politische Bildung anzubieten. Auch in Grund-, Real-, und Gesamtschulen muss politische Bildung zum Schulalltag gehören.
Wir leben in einer Gesellschaft, die einen demokratischen Anspruch an sich selbst hat. Somit können wir uns nicht damit zufriedengeben, wenn über 15 Prozent der Bevölkerung nicht an Wahlen teilnehmen dürfen, weil sie noch nicht alt genug sind. Jede Wahlaltersgrenze (ob 25, 18, oder 14 Jahre) ist letztlich willkürlich gesetzt und somit kritisch zu hinterfragen. Ein so genanntes Familienwahlrecht, bei dem Eltern für ihre Kinder eine Stimme abgeben, lehnen wir gänzlich ab. Kinder und Jugendliche sollten selber wählen und nicht auch noch bei den politischen Wahlen bevormundet werden. Alle Kinder und Jugendlichen, die wählen möchte, sollen die Möglichkeit dazu bekommen, sich bei den Behörden als Wähler*in registrieren zu lassen. Von diesem Zeitpunkt an erhält sie*er Wahlbenachrichtigungen für alle bevorstehenden Wahlen.
Daher und aus unserer tiefen demokratischen Überzeugung heraus werden wir uns für eine Abschaffung der Wahlaltersgrenzen einsetzen. Für eine Verjüngung der Parlamente sollen Jugendliche ab 16 Jahren das passive Wahlrecht auf allen Ebenen der Repräsentation bekommen – von Kommunal- bis hin zu Bundestags- und Europawahlen. Auf dem Weg zur Abschaffung der Wahlaltersgrenzen unterstützen wir auf kurze Sicht auch Forderungen nach Senkung von Wahlaltersgrenzen, etwa auf 16 oder 14 Jahre.
Expert*innengruppe für Kinder- und Jugendpartizipation
Abschließend fordert die GRÜNE JUGEND Hessen die Einsetzung einer Hessischen Expert*innengruppe für Kinder- und Jugendpartizipation, die beauftragt wird, ein Konzept auszuarbeiten, was im Anschluss zur Abstimmung in den Hessischen Landtag gegeben wird. Diese Gruppe muss zu mehr als 50% aus Kindern und Jugendlichen bestehen. Das zu erarbeitende Konzept sollte eine Stärkung und einen Ausbau von Beteiligungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten an kommunalpolitischen Themen und Entscheidungen vorsehen. Es müssen nachhaltige Strukturen für eine jugendgerechte Gesellschaft entwickelt und gesetzlich verankert werden. Zudem bedarf es eines Aufbaus jugendgerechter Informations- und Kommunikationswege sowie eines Ausbaus attraktiver Perspektiven und Teilhalbemöglichkeiten für alle Jugendlichen.
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