LMV Oktober 2010: Raus aus der Schuldenfalle. Eine neue, sozial-, umwelt- und generationenengerechte Haushaltspolitik.
Bund, Länder und Kommunen haben bis heute einen Schuldenberg von rund 1,8 Billionen Euro angehäuft. Auf jede Bürgerin und jeden Bürger entfallen damit mehr als 21.000 Euro staatlicher Schulden. Pro Tag wächst die Staatsverschuldung um 387.158.400 € (387 Mio.). Die Zinszahlung ist mit 38,9 Milliarden Euro pro Jahr der drittgrößte Posten im Bundeshaushalt. Das bedeutet, dass jeder zehnte Euro des Bundeshaushalts in die Zinszahlung fließt.
Letztlich ist es unsere Generation, die die Last der unnachhaltigen Haushaltspolitik der letzten 60 Jahre tragen muss. Eine generationengerechte Politik darf sich nicht auf Umwelt und Energie beschränken. Wenn wir uns nicht darauf beschränken wollen, die bestehenden Mängel zu verwalten, sondern Gestaltungsspielräume für künftige Politik zu bewahren, müssen wir stärkere Anstrengungen zum Abbau der Schuldenlast unternehmen als bisher.
Die grundlegende Ursache der Staatsverschuldung ist, dass der Staat mehr Geld ausgibt, als er einnimmt. Seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland haben alle Regierungen dazu beigetragen, den heutigen Schuldenberg aufzuhäufen. Die Grüne Jugend Hessen begrüßt daher grundsätzlich die Einführung der Schuldenbremse, welche den Staat dazu verpflichtet, ab 2020 nur noch so viel Geld auszugeben, wie er auch tatsächlich einnimmt. Ihre Ausgestaltung muss jedoch sozial, umwelt- und generationengerecht sein.
Durch die steigende Staatsverschuldung leben wir heute auf Kosten der kommenden Generationen. Wir erhalten aber keine zukunftsfähige Infrastruktur, kein ausgezeichnetes Bildungssystem, das
diesen Schuldenstand rechtfertigen würde. Dem Staat fehlt heute ein erkennbares Leitbild, dessen Realisierung die enorme Schuldenlast eventuell rechtfertigen könnte. Weder hatte die Große Koalition noch hat die schwarz-gelbe Koalition in Berlin eine Vision, wie sie Deutschland in Zukunft gestalten wollen. Ohne eine solche Vision ist es schlicht unmöglich ein Land zu prägen und zu formen. Wir wollen der Ideenlosigkeit ein Konzept gegenüberstellen, das sozial, umwelt- und generationengerecht ist. Dafür brauchen wir nicht weniger als einen Paradigmenwechsel, auch und zuerst in der Haushaltspolitk.
Warum die Staatsverschuldung ein Problem ist
Ein Grund für die ausufernde Verschuldung ist die Kurzsichtigkeit früherer Regierungen, die nicht über den nächsten Wahltermin hinaus gedacht haben, und Einzelinteressengruppen bedient haben,
statt sich am Gemeinwohl zu orientieren. Immer wieder sind Finanzminister mit dem vollmundigen Versprechen des ausgeglichen Haushalts angetreten. Seit mehr als 40 Jahren hat es keine
Bundesregierung geschafft, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Die hohe Staatsverschuldung, der wir uns heute gegenübersehen, ist in vielerlei Hinsicht problematisch. Die Schulden von heute sind die Steuer- und Gebührenerhöhungen von morgen und die steigende Zinslast wird die Handlungsspielräume kommender Generationen erheblich einschränken. Daneben gibt es aber noch eine Reihe weiterer Gründe, die ausufernde Staatsverschuldung zu bekämpfen.
Je höher die Staatsverschuldung wird, desto schwieriger fällt es einem Staat, sich auf den Finanzmärkten zu refinanzieren. Ist ein Staat erst einmal im Visier der Zocker, gerät schnell das
gesamte Wirtschaftssystem in eine gefährliche Schieflage. Der Fall Griechenland hat gezeigt, wie schnell ungezügelte Finanzmärkte einen Staat an den Rand des Ruins treiben können. Nur durch ein
massives Eingreifen der Europäischen Union konnte die Kreditwürdigkeit Griechenlands gesichert und die Abwertungsspirale des Euro gestoppt werden.
Finanziert der Staat seine Ausgaben über Schulden, verdrängt er damit private Investitionen, da sich der Staat auf dem Kapitalmarkt wesentlich billiger Geld leihen kann. Die staatliche Aufnahme von Krediten auf dem Finanzmarkt führt zu einer Zinssteigerung, die eine Senkung privater zinsabhängiger Investitionen bewirkt. Aufgabe des Staates sollte es jedoch sein, private
Investitionen zu fördern und nicht zu verhindern.
Aufgrund der wachsenden Probleme des Staates, der Schuldenfalle zu begegnen, sinkt nicht zuletzt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat. Der Schuldenabbau wird somit zur
Bewährungsprobe der Glaubwürdigkeit der Politik. Einnahmeverbesserungen und Subventionsabbau für einen gerechten und nachhaltigen Haushalt.
Der aktuelle Zeitpunkt ist günstig, um mit einem ehrlichen Abbau der Staatsverschuldung zu beginnen. Nach der Krise müssen die Mehreinnahmen des spürbaren Aufschwungs für die Haushaltskonsolidierung genutzt werden.
Solide Einnahmen sind die Voraussetzung dafür, dass der Staat seine Aufgaben wahrnehmen kann. Wir wollen deshalb Mehreinnahmen generieren durch
• die Erhöhung bzw. Einführung von Steuern mit Lenkungswirkung
• die Einführung einer Finanztransaktionssteuer
• die Einführung einer Kerosinsteuer
• die Anhebung des Spitzensteuersatzes um vier Prozent
• eine Ausweitung der Ökosteuer
• und eine umfassende Reform der Umsatzsteuer
Der Solidaritätszuschlag soll nach dem Auslaufen des Solidarpakt II im Jahr 2020 weiterentwickelt werden und ein Teil davon soll zum Schuldenabbau genutzt werden. Er soll nicht in den allgemeinen Haushalt übergeführt werden, sondern über einen Sonderfonds zweckgebunden verwendet werden. Wir sprechen uns dagegen aus den „Soli“ zu einem reinen Bildungs-Soli weiterzuentwickeln, solange die Kompetenzen für Bildung ausschließlich bei den Bundesländern angesiedelt sind.
Aber damit allein ist es nicht getan. Diese Einnahmeerhöhungen alleine werden nicht reichen, um den Haushalt zu konsolidieren. Der Staat wird in Zukunft nicht alle seine Ausgaben weiter tätigen
können. Hier wollen wir besonders bei den Subventionen ansetzen. Trotz notorisch knapper Kassen leistet sich der Staat jährlich über 34 Milliarden Euro umweltschädlicher Subventionen. Das führt nicht nur zu einer unnötig hohen Staatsverschuldung und hohen Steuern oder Abgaben an anderer Stelle, sondern auch dazu, dass umweltschädigendes Verhalten belohnt wird. Flugtickets und Dienstwagen, Atomstrom und industrielle Landwirtschaft sind nur deshalb billig, weil der Staat sie massiv subventioniert. Subventionen wurden und werden nicht wirtschaftlich gedacht, sondern aus parteipolitischen Gründen vergeben. Das aktuellste Beispiel ist die Mehrwertsteuervergünstigung für Hotelübernachtungen. Mit Subventionen werden zu oft veraltete Industrien künstlich am Leben
erhalten und Innovationen verhindert. Gerade im Energiebereich wird diese Misswirtschaft deutlich. So darf es nicht weitergehen. Subventionen müssen ökonomisch und ökologisch nachhaltig sein. Sie müssen eine Ausnahme sein, die zur Überbrückung einer besonderen Lage dient und dürfen nicht zum Dauerzustand werden. Sie müssen in kurzen Abständen ergebnisoffen evaluiert werden, ob sie noch sinnvoll und notwendig sind. Nur befristete und degressive Subventionen sind gute Subventionen. Ebenso wie Subventionen müssen Steuervergünstigungen eine klare Ausnahme sein. In diesem Sinne fordern wir eine Vereinfachung des Steuerrechts. Die Pendlerpauschale und die Kohlesubvention zeigen, wie es nicht funktioniert. Die Pendlerpauschale fördert ein umweltschädigendes Verhalten auf Kosten der Steuerzahler. Die Kohlesubvention ist der Rettungsring einer längst toten Industrie. Sie ist sowohl ökonomisch als auch ökologisch höchst fragwürdig.
Einsparungen und effizienteres Regierungshandeln
Um raus aus der Schuldenfalle zu kommen, muss die Politik neben der Streichung von direkten Subventionen weitere Kürzungen auf der Ausgabenseite vornehmen. Dazu gehört der Verzicht auf
sinnlose Infrastrukturprojekte wie z.B. Kassel-Calden genauso wie eine Überprüfung aller staatlichen Dienstleistungen und Unterstützungen darauf, ob sie den Zielen einer sozialen, umweltund
generationengerechten Politik dienen. Regierungshandeln muss wesentlich effektiver gestaltet werden. Die Bürokratiekosten müssen gesenkt werden und Doppelverwaltungen abgeschafft werden.
Orientierung am Gemeinwohl statt an Einzelinteressen Was wir brauchen, ist nicht weniger als ein neues Staatsverständnis. Ein Weiter-so werden wir uns finanziell nicht leisten können. Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass der Staat alles leisten kann, was der einen oder anderen Interessengruppe wünschenswert erscheint. Selbst wenn wir die Einnahmen massiv erhöhen, werden wir uns auch über die Ausgaben und Aufgaben des Staates neu verständigen müssen.
Wir müssen uns darauf besinnen, welches die Aufgaben eines Staates sind, die er unabhängig von der Kassenlage erfüllen muss. Neben der sozialen Sicherung ist dies auch der Kampf gegen die Klimakatastrophe. Aber auch auf diesen Gebieten ist nicht die Summe der staatlichen Mittel entscheidend, sondern deren Effektivität. Eine neue, sozial-, umwelt- und generationenengerechte Haushaltspolitik wird eine der dringendsten Aufgaben der jungen Generation sein. Wir müssen diese Aufgabe annehmen und uns der Herausforderung stellen, diesen Prozess so zu gestalten, dass am Ende eine am Gemeinwohl orientierte Politik steht. Die Grüne Jugend Hessen wird die Bürgerinnen und Bürger dazu aufrufen, bei der Volksabstimmung über die Frage, ob die Schuldenbremse in die Hessische Verfassung aufgenommen werden soll, mit >JA< zu stimme, wenn die Regeln der Schuldenbremse im Sinne dieses Antragstextes gestaltet sind.
← zurück