13. Oktober 2020

LMV Oktober 2020: Fight the patriarchy – wir brauchen eine feministische Außenpolitik!



Geschlechtergerechtigkeit und die Überwindung von patriarchalen und
diskriminierenden Strukturen sind für nachhaltigen Frieden unabdingbar.
Mehrheitlich weiße, westliche Cis-Männer dominieren immer noch die
diplomatischen und sicherheitspolitischen Kreise und geben ihre Perspektive als
Maßstab vor. Dabei ist schon längst bewiesen, dass Friedensabkommen länger
halten und eine höhere Erfolgschance haben, wenn Frauen* und marginalisierte
Gruppen im Prozess aktiv mitgewirkt haben. Um dem guten Leben für alle und einem
nachhaltigen Frieden näher zu kommen, brauchen wir eine feministische
Außenpolitik.

Feministische Außenpolitik bedeutet erstens die Anerkennung struktureller
Ungleichheiten weltweit sowie ein Verständnis von Gewalt gegen und
Diskriminierung von Frauen* und Mädchen* sowie anderer marginalisierter Gruppen
als Ausdruck patriarchaler Strukturen. Um die strukturelle Ungleichheit zu
beseitigen, berücksichtigt eine feministische Außenpolitik die Bedürfnisse und
Perspektiven aller politisch und gesellschaftlich marginalisierter
Bevölkerungsgruppen und ist damit immer intersektional. Sie setzt an den
Bedürfnissen von Menschen statt von Staaten und Konzernen an und nimmt die
individuelle Sicherheit anstatt der staatlichen Sicherheit in den Blick. Stabile
Staaten führen nicht automatisch zur Sicherheit von Menschen. Es sind häufig
Staaten und staatliche Strukturen, die Unsicherheiten für Menschen erst
schaffen. Ziel der feministischen Außenpolitik ist es deswegen, die individuelle
menschliche Sicherheit zu stärken, verstanden als Sicherheit vor ständiger
Bedrohung durch Hunger, Krankheit, Kriminalität und Repression und physischer,
mentaler und sexualisierter Gewalt.

Frauen* und Mädchen* sind oft in besonderem Maße von Gewalt, den Auswirkungen
von kriegerischen Auseinandersetzungen, von Armut und Naturkatastrophen
betroffen. Wo gesellschaftliche Strukturen bröckeln, leiden insbesondere Frauen*
unter sexualisierten Übergriffen und anderen Formen von Gewalt und
Unterdrückung. Ausgangspunkt aller politischen Prozesse, Interventionen und
Unterstützungangebote muss deswegen eine ausführliche Analyse sein, die die
Bedürfnisse insbesondere marginalisierter Gruppen in den Fokus nimmt.

Zweitens bedeutet feministische Außenpolitik den gleichberechtigten Zugang zu
und Vertretung von Frauen* und marginalisierten Gruppen in politischen
Entscheidunsprozessen. Diese spielen eine wichtige Rolle in Versöhnungs- und
Friedensprozessen. Ihr Ausschluss ist nicht nur eine Diskriminierung, die über
den Friedensschluss hinauswirkt, sondern er verhindert stabilen Frieden. Es
gilt, in jedweder Art diplomatischer Verhandlungen oder bei der Zusammensetzung
sicherheits-, außen- und entwicklungspolitischer Gremien im Sinne einer
feministischen Außenpolitik Frauen* und marginalisierte Gruppen gleichberechtigt
zu beteiligen.

Drittens bedeutet feministische Außenpolitik, Abrüstung in das Zentrum von
Sicherheitspolitik zu stellen. Mehr Waffen bedeuten nicht mehr Sicherheit.
Deutschland muss sich im Rahmen seiner Ratspräsidentschaft und seiner Zeit im
UN-Sicherheitsrat für eine komplette Abrüstung aller nuklearen und
konventionellen Waffen weltweit einsetzen und selbst mit gutem Beispiel voran
gehen. Deutschland muss endlich dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten und für
eine strikte und restriktive Kontrolle seiner Rüstungsexporte sorgen.

Viertens sucht eine feministische Außenpolitik aktiv die Zusammenarbeit mit der
Zivilgesellschaft, die sich dafür einsetzt, sozialen Ungerechtigkeiten
entgegenzuwirken. Feministische Außenpolitik stellt Ressourcen für feministische
Initiativen in Deutschland, Europa und dem Globalen Süden zur Verfügung, die
gemäß den obigen Prinzipien für eine gerechtere und friedlichere Welt streiten.

Fünftens muss jede Art diplomatischer Verhandlungen sowie die Planung und
Durchführung von Projekten der Entwicklungszusammenarbeit darauf ausgerichtet
sein, Geschlechtergerechtigkeit zu fördern und die gleichberechtigte Teilhabe an
sozialen, ökonomischen und politischen Ressourcen zu stärken. Wir setzen uns
dafür ein, dass die sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen* und Mädchen*
weltweit Geltung erlangen. Frauen* und Mädchen* müssen uneingeschränkten Zugang
zu gleichwertiger Bildung bekommen. Wir setzen uns für gute Arbeitsbedingungen
für alle Frauen* ein.

Sechstens erkennt Feministische Außenpolitik an, dass (post-)koloniales Denken
und Strukturen noch immer die Außen-, Wirtschafts- und Handelspolitik von
Ländern des Globalen Nordens beeinflussen. Post-koloniale Strukturen der
ökonomischen Abhängigkeit und Ausbeutung sorgen weiter dafür, dass sich der
Globale Norden auf Kosten des Globalen Südens bereichert. Feministische
Außenpolitik arbeitet aktiv daran, diese Strukturen zu überwinden.

Wenn Regierungen ihre Ankündigungen, nachhaltigen Frieden fördern und Konflikten
vorbeugen zu wollen, ernst nehmen, müssen sie ihre gesamte Außenpolitik darauf
ausrichten, strukturelle soziale Ungleichheiten und Diskriminierung weltweit
auszugleichen und menschliche Sicherheit über nationalstaatliche Sicherheit zu
stellen.

Wir als GRÜNE JUGEND Hessen fordern, feministische Außenpolitik immer und
überall mitzudenken.

 

Beschlossen am 04.10.2020 auf der digitalen Landesmitgliederversammlung.



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